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Bush, Abbas und Olmert in der U.S. Naval Academy in Annapolis.

Foto: Reuters

Sie trennt nicht nur der israelische Sperrwall: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ...

... und Israels Premier Ehud Olmert beim Galadiner im US-Außenministerium.

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Die eigentlichen Verhandlungen zwischen israelischen und palästinensischen Vertretern sollen erst nach dem Treffen in Annapolis starten.

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Kaum zwei Minuten hat George W. Bush geredet, da steckt er sein Manuskript in die Jackentasche und greift nach den Händen der beiden grauhaarigen Herren, die neben ihm stehen. Er lotst sie vom sperrigen Rednerpult weg, sodass die Fotografen freie Sicht auf die Szene haben. Es sieht aus, als wollten Mahmud Abbas und Ehud Olmert gar nicht mehr aufhören, einander die Hände zu schütteln.

Hinter ihnen lächelt der US-Präsident, ganz in der Pose des Schirmherrn. Es ist dieselbe Pose, mit der sein Vorgänger Bill Clinton 1993 vor dem Weißen Haus den Händedruck Yitzhak Rabins und Yassir Arafats begleitete. Fast wirkt sie ironisch bei einem Mann, der sieben Amtsjahre verstreichen ließ, ohne etwas für den Nahostfrieden zu tun.

Zuvor hatte Bush ein paar Zeilen vom Blatt abgelesen, die unter dem unscharfen Titel „Gemeinsame Erklärung“ einen ehrgeizigen, vielleicht unrealistisch ehrgeizigen Fahrplan aufstellen. Demnach wollen Israelis und Palästinenser „alle Anstrengungen“ unternehmen, um bis Ende 2008 einen Friedensvertrag auszuhandeln. Ziel sei es, so Bush, einen demokratischen Staat Palästina zu schaffen, der friedlich neben Israel existiere. Der Weg sei steinig, doch „die Zeit ist reif“.

Die Zeit für Verhandlungen sei gekommen, weil beide Seiten Politiker an der Spitze ihrer Regierungen hätten, die zum Frieden entschlossen seien. In der „Schlacht um die Zukunft des Nahen Ostens“ dürfe man den Sieg nicht den Extremisten überlassen. Bush mahnt die Palästinenser zum Ende der Gewalt und die Israelis zum Ende des Siedlungsbaus und der wilden Siedlungsvorposten. Am 12. Dezember sollen die Delegationen beider Seiten ihre Gespräche aufnehmen.

Nach Bush spricht Abbas, innenpolitisch bedrängt von den Islamisten der Hamas, denen er den Gazastreifen überlassen musste. „Wir haben die gemeinsame Pflicht, wahre Hoffnung zu verbreiten. Diese Chance wird sich vielleicht nicht wiederholen.“ Als Dritter sagt Olmert, es sei an der Zeit, dass alle arabischen Staaten ihren „Boykott und die Entfremdung“ gegenüber Israel beenden.

Man werde in den kommenden Verhandlungen alle Punkte, die bis jetzt ausgeklammert wurden, ansprechen. Er sei davon überzeugt, sagte Olmert, „dass die Realität, die seit 1967 in unserer Region besteht, signifikant verändert wird“. Er glaube an eine Zwei-Staaten-Lösung, für die schmerzhafte Kompromisse nötig seien. Um dazu zu gelangen, sei eine „schrittweise und vorsichtige“ Umsetzung der Roadmap nötig.

Symbolischer Ort

Genau zwanzig Stufen mussten Bush und seine Gäste hinaufsteigen, von der Pforte der Memorial Hall bis zum glitzernden Tagungssaal mit seinen Kronleuchtern und Schiffsgemälden. Von oben grüßte ein zwei Meter breites Tuch, das so hängt, dass jeder es sehen musste, der sich der prächtigen Halle von der Treppe her näherte. „Don’t give up the ship“, steht in weißen Lettern auf dem blauen Stoff.

Dazu forderte James Lawrence, Kapitän der USS Chesapeake, seine Kameraden auf, bevor er im Krieg gegen die Briten vor fast 200 Jahren einer tödlichen Verwundung erlag. Das Schiff nicht aufgeben – der Spruch passt gut als Metapher, finden die Gastgeber.

Es gäbe noch mehr Symbole, die der US-Präsident beschwören könnte. Etwa Jimmy Carter, mit dem er zutiefst zerstritten ist, seit Carter Bush vorwarf, er ergreife in Nahost allzu einseitig für Israel Partei. Der Mann aus Georgia ist der einzige Absolvent der 162 Jahre alten Naval Academy, der es schaffte, ins Weiße Haus einzuziehen. Zudem gehört er zu den wenigen, die einen nahöstlichen Friedensvertrag unter Dach und Fach gebracht haben: 1978 vermittelte Carter in Camp David einen Ausgleich zwischen dem Ägypter Anwar al-Sadat und dem Israeli Menachem Begin.

Diesmal heißen die Protagonisten Abbas und Olmert. Wenn sie beisammen stehen, wirken sie wie zwei gesetzte Professoren, die sich privat prima verstehen. Aber an der Härte, mit der sie hinter den Kulissen um den Fahrplan für die nächsten Etappen des Dialogs rangen, ahnte man, wie breit die Kluft inhaltlich noch klafft. Dabei sprechen die beiden Grauschöpfe auf ihrem Amerika-Trip nur übers Procedere, noch nicht über die harten Nüsse: Jerusalem, die Grenzen, Rückkehr oder nicht für jene Palästinenser, die 1948 im Zuge des ersten Nahostkrieges aus Gegenden flohen, die heute, dicht besiedelt, zu Israel gehören.

Es ist ein anderer, der über „Haq al-Auda“ redet, das Recht auf Rückkehr. Vor der Presse präsentierte Saud al-Faisal, der saudi-arabische Außenminister, seine Sicht auf den Jahrhundertkonflikt. „Ich meine, da sind Menschen, die nicht aus Palästina stammen, nach Palästina gekommen. Sie besetzen ein Land, in dem zufällig schon Menschen leben. Und jetzt wollen sie diese Menschen in einer rein jüdischen Heimat wie Illegale behandeln. Warum?“ (Frank Herrmann aus Annapolis, DER STANDARD, Printausgabe 28.11.2007)