Zur Person: Eva Kreisky ist Professorin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte: Politische Theorie und Ideengeschichte, Staats- und Institutionentheorien, Politik der Geschlechterverhältnisse.

Foto: Standard/Regine Hendrich

Erich Fröschl , Helmut Kramer, Eva Kreisky: Politikberatung. Zwischen Affirmation und Kritik. Braumüller Verlag

Buchcover: Braumüller
"Wenn neue Kräfte in einer Regierung tätig werden, die noch keine Experten um sich scharen, werden Beratungsfirmen beauftragt. Wissen und Know-how müssen von außen zugekauft werden." Eva Kreisky, Co-Herausgeberin des Sammelbandes "Politikberatung zwischen Affirmation und Kritik", sieht die Zunahme von externen Politikberatern kritisch.

Im Interview mit derStandard.at erklärt die Politikwissenschafterin, warum ihr diese Entwicklung nicht gefällt, welche Auswirkungen sie für die Demokratie befürchtet, was die Seitenblickegesellschaft mit Politikberatung zu tun hat, und warum blaue Hemden wichtig für das Ganzkörpermanagement sind. Die Fragen stellte Rosa Winkler-Hermaden.

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derStandard.at: In einem Artikel in Ihrem Sammelband wird thematisiert, dass der Zukauf von externen Beratungsleistungen in den Regierungen Schüssel I und II besonders stark gestiegen ist. War das der Anlass, das Buch herauszubringen?

Kreisky: Es ist nicht nur ein österreichisches Phänomen, dass die Beratungsleistung anwächst und fast explodiert. Das ist in allen europäischen Ländern so, etwa in Deutschland. McKinsey und die Firma von Politikberater Roland Berger teilen sich dort zum Beispiel den Markt. Die rot-grüne Regierung unter Schröder war ein fast noch extremeres Beispiel als die Regierungen unter Schüssel.

Wenn neue Kräfte in einer Regierung tätig werden, die noch keine Experten um sich scharen, werden Beratungsfirmen beauftragt. Wissen und Know-how müssen von außen zugekauft werden.

derStandard.at: Seit wann gibt es diese Entwicklung? Im Buch wird der EU-Beitritt Österreichs genannt.

Kreisky: Das war ein Wende. In der Forschung wurden nationalstaatliche Fördertöpfe für sozialwissenschaftliche Forschung zunehmend kleiner. Zugleich fand ein unübersichtlicher Zuwachs kommerzieller Beratungsverträge statt, die durch die Auftraggeber politisch besser steuerbar schienen als die wissenschaftliche Auftragsforschung.

Ein deutliches Minus an kritischer Politikberatung war die Folge. Die Beratung im Bereich der Gestaltungspolitik hat sich reduziert, zwei Drittel der Ressourcen gehen nun in die Inszenierungspolitik.

Persönliches Coaching nimmt zu. Als Susanne Riess-Passer von Innsbruck nach Wien übersiedelte, hatte sie eine Networkerin an ihrer Seite, die sie in die Wiener Gesellschaft einführen sollte. Das hat mit Politikgestaltung wenig zu tun. Da geht es eher um die Frage: Welche Zugänge in diese Seitenblickegesellschaft gibt es, die dem politischen Machterhalt dienlich sind?

derStandard.at: Ist das Rüberbringen der Informationen - auch über die Medien - schon wichtiger als die Information selbst?

Kreisky: Ja. Das zeigt sich aber nicht nur in der "großen Politik", in Regierung, Parlament, oder Verwaltung, sondern auch bei den Kampagnen von NGOs, etwa Global 2000 oder Greenpeace. Sie werden nur noch fürs Auge gemacht. Die inhaltlichen Kontroversen spielen eine immer geringere Rolle. Die politische Landschaft hat sich total verändert.

derStandard.at: Was ist die Gefahr der "neuen" Politikberatung?

Kreisky: Die Berater haben Macht, die nicht demokratisch legitimiert ist. Sie haben Zugang zur Macht, indem sie in informellen Zirkeln am Tennisplatz oder im Golfclub verkehren.

Je erschöpfter, ermatteter der Demokratieprozess ist - und wir befinden und momentan in einer solchen Epoche - desto mehr Chancen haben die Berater hier zuzugreifen und den Markt für sich zu erobern.

Der Politikberater Roland Berger berichtet offenherzig über seine Tätigkeit. Er verkehrt in sozialen Milieus der Mächtigen und zieht dort seine Aufträge an Land. Das ist wahrlich kein demokratisches Modell der Politikbeeinflussung.

Man sollte eher darüber nachdenken, wie Wissen verallgemeinert werden kann. Jetzt funktioniert es nach der Regel "wer zahlt, schafft an". Es ist zwar öffentliches Geld, das aufgewendet wird, aber es wird für Machtgewinn und Machterhalt einzelner Politiker genutzt. Das ist kein demokratisches Konzept.

derStandard.at: Wie könnte eine solche demokratische Politikberatung aussehen?

Kreisky: Vor der Volkabstimmung um Zwentendorf gab es eine große Kampagne: beiden Seiten sind Experten finanziert worden. Die Regierung hat Experten aus dem Ausland eingeladen, die pro Atomkraft argumentiert haben, hat aber auch der Anti-Atomkraft-Bewegung die Möglichkeit gegeben, eigene Experten einzuladen.

In Schweden und in Großbritannien wird, was mit öffentlichem Geld erforscht wird, jede Expertise, veröffentlicht. Das ist auch eine Form, wie man das organisieren könnte: Forschungsergebnisse und neues Wissen für alle zugänglich zu machen, um politisches Handeln auf breiter Basis zu ermöglichen.

derStandard.at: Sie unterscheiden zwischen Politikberatung und Politikerberatung. Wo genau liegt der Unterschied?

Kreisky: Politikerberatung nimmt überproportional zu. Politikberatung ist aber eher rückläufig. Zur Politikerberatung zählt das Inszenierungsmanagement: Wie organisiere ich mein Coaching, um Einfluss zu haben, um Macht zu haben, um mich besser positionieren zu können? Soll ich rosa Hemden tragen oder hellblaue? Das ist ja heute schon Ganzkörpermanagement.

Politikberatung hingegen kann als Wissenserweiterung für eine demokratische Zivilgesellschaft betrachtet werden, nur müsste dieses Wissen, das nunmehr privatisiert ist, wieder veröffentlicht werden. Insofern sollte Politikberatung etwas sein, das Politikern nutzen soll, aber eben auch Bürgern zugänglich sein sollte.

derStandard.at: Was kann die Politikwissenschaft tun, um etwas an der momentanen Entwicklung zu ändern und eben demokratischer machen?

Kreisky: Die Universitäten waren über lange Zeit unabhängige Institutionen, die sich in den politischen Prozess einbringen konnten. Wenn man sich die jetzigen Prinzipien von Universitätspolitik ansieht, geht das in eine andere Richtung: Man soll sich international mit akademischen Eliten in der ganzen Welt vernetzen. Wir sollen in englischsprachigen Journalen veröffentlichen. Wissen wird also abgezogen und wird nicht an jene gesellschaftlichen Gruppen zurückgespielt, die in der Politik mitgestalten sollten. Ich habe vielleicht ein überkommenes Politikverständnis: ich glaube noch immer daran, dass das Zusammenhandeln der Menschen das Wesen deomkrtischer Politik ausmacht.

derStandard.at: Vielleicht wollen die Politiker einfach nicht von den Politikwissenschaftern beraten werden?

Kreisky: Das vermute ich auch. Weil sie dann Dinge in Erinnerung gerufen bekommen, worüber sie nicht so gerne reden, was sie nicht in Frage gestellt bekommen wollen.

Ich sehe es aber nicht so einseitig. Es geht nicht nur an die Kritik an den Politikern und um die viel zitierte Beratungsresistenz der Politiker. Es geht in meinem Verständnis auch um die Kritik an der Politikwissenschaft. Was ist so attraktiv daran, von der Mächtigen der Politik gehört zu werden? Ist es nicht wichtiger, meine Aufmerksamkeit anders wo hin zu richten?

derStandard.at: Jetzt ist Alfred Gusenbauer seit bald einem Jahr Bundeskanzler. Hat sich in Bezug auf die externen Berater etwas geändert im Vergleich zu den Schüssel Regierungen?

Kreisky: Ich befürchte, dass es genauso weitergehen wird, wie wir es in den vergangenen Jahren erleben mussten. Ich sehe keine Ansätze des Wandels der Politikstrategien. Es wird nicht wirklich darüber nachgedacht, wie Politik anders gestaltet werden könnte. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 28.11.2007)

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