Bei einer Fahrt über die Insel gibt es auf Guadeloupe neben ehemaligen Zuckerrohrplantagen ...

Foto: Harmtodt

... auch den "Parc Naturel" mit Wasserfällen zu entdecken.

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Mehr Fotos in den Ansichtssachen Draußen vor dem Club und Grün, süss und ungiftig.

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Die beiden Anlagen von Club Med auf Martinique und Guadeloupe haben sich schön gemacht. Renovierte Zimmer und deutschsprechende GO (Gentils Organisateurs) sollen Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen. Und es funktioniert: Nach drei Tagen beginnt eine Metamorphose, und man fühlt sich wieder wie ein Säugling. Wenn sich Hunger einstellt, wird man gefüttert, bei Durst laufen diverse Fruit-Punches und Cocktails die trockene Kehle hinunter, und gegen aufkommende Langeweile erfinden ewig lächelnde GOs immer neue Spiele

Voraussetzung hierfür ist, dass man das richtige Bändchen am Armgelenk hat, nämlich das rosarote. Es öffnet die Pforten zum Garten Eden, in dem unter der karibischen Sonne Kokosmilch und Rum fließen und ein Meer an Köstlichkeiten dreimal täglich in unerschöpflicher Menge ans Buffet lockt. Bändchen in anderen Farben öffnen das Paradies nur für ein Wochenende oder einen Abend. Die meisten Träger des rosaroten Bandes sind Franzosen und andere Europäer sowie einige Amerikaner.

Urlaub im Club Med bedeutet alles inklusive – außer Champagner. Das Angebot ist groß und startet bereits am Morgen mit Gymnastik an Land und zu Wasser. Schwitzende Vorturner zeigen bei morgendlichen 30 Grad am Beckenrand mit alarmierend geröteter Haut, wie es geht. Sie hüpfen und boxen, kicken und shaken zum Takt der Musik, und die Gäste im Pool machen jede Bewegung mit.

Bis zum Mittagsbuffet sind noch ein paar Stunden Zeit. Am Ende des Steges von Les Boucaniers in Martinique bildet sich eine Menschentraube. Unablässig fahren zwei Motorboote auf und ab und ziehen Wasserskifahrernovizen hinter sich her. Die meisten Fahrten dauern weniger als zehn Sekunden, dann versinken auch die Standhaftesten, Hintern voran, in den Wellen – sehr zum Spaß all jener, die noch darauf warten, gegen die Kräfte der Physik anzukämpfen.

Bogenschießen, Segeln, Schnorcheln, Tauchen, Tennis- und Fußballspielen, Wellness und Fitnesstraining: Der Tag ist ausgefüllt mit Aktivitäten, und schnell vergisst man, wo man eigentlich gelandet ist. Denn von den Inseln an sich bekommt man – abgesehen von einheimischem Personal hinter Theken und beim Zimmerservice – in der Anlage nichts mit. In den Clubs können Ausflüge mit Bus, Jeep, Katamaran oder Motorsegler gebucht werden. Mit Kajaks kann sich jeder selbst entlang der Küste auf Entdeckungsreise begeben.

Auf eigene Faust aus den Clubs wegzukommen gestaltet sich schwierig, da die Taxis aufgrund des französischen Lohnniveaus teuer sind, die Minibusse nach dem Zufallsprinzip verkehren und ab etwa 17 Uhr überhaupt von den Straßen verschwinden. Aber es lohnt sich trotzdem, das Hotel zu verlassen und etwa in Martinique in das benachbarte Dörfchen Saint-Anne zu gehen. Hier offenbart sich das Konglomerat aus französischen und karibischen Elementen. Verkehrs- und Kaufhausschilder, Nummerntafeln und eine Postfrau, die einen Vortrag über die französische Post hält, welche heute das Postfest feiert, geben sich europäisch.

Die Holzhäuser in Saint-Anne sind klein, schief und kunterbunt. Türen und Fenster sind verschlossen, kein Mensch ist bei der Hitze auf der Straße. Nur vor der Dorfkirche sitzen ein paar Leute im Schatten der Flammenbäume. Ziegen stehen meckernd zwischen neuerrichteten dreistöckigen Wohnhäusern, die in Zukunft die Holzhütten ersetzen sollen. Vor den Fenstern hängen Sat-Schüsseln, vor den Türen stehen Autos.

Die französischen Antillen sind Teil der EU und somit auch des europäischen Verkehrskollapses, an den täglichen Stau ist man inzwischen gewöhnt. Ganz und gar nicht französisch sind wild verknotete Stromleitungen, Wracks am Straßenrand und ein Friedhof mit weißgekachelten Gräbern über der Bucht von Marin, wo gerade die Jetskifahrer ihre Maschinen starten, um vor dem Abendbuffet noch ein paar Runden zu drehen. Daneben ertönt das zarte Rufen von Ringeltauben und das bedrohlich laute Scharren der Zikaden. Bei Einbruch der Dämmerung beginnt der helle Gesang der Baumfrösche.

Bruno Gargar macht Führungen auf Basse-Terre, der wilden vulkanischen Seite von Guadeloupe. Er stapft mit Touristen durch knietiefen Schlamm zu wildromantischen Wasserfällen und zeigt ihnen die Insel, wie sie wirklich ist – abseits von Zuckerrohrfeldern und Bananenplantagen. Feucht, tropisch, grün und wild ist Basse-Terre, ein Großteil gehört zum Parc Naturel de la Guadeloupe. Bruno hat lange in Europa gelebt und spricht perfekt Deutsch. "Ich kenne beide Seiten – Guadeloupe ist für mich die bessere", erklärt er, "vorausgesetzt, man schafft es, Europa hinter sich zu lassen und den Rhythmus der Insel zu leben. Die Hektik und den Stress, das haben wir hier auch in Point à Pitre. Aber am Land hat die Zeit eine andere Bedeutung. Hier gibt es keine Eile. Was nicht heute passiert, passiert eben morgen – es macht keinen Unterschied. Wer damit zurechtkommt, wird hier eine sehr gute Zeit verbringen!"

Dass Martinique und Guadeloupe französische Departements sind, ist für die meisten der insgesamt knapp 850.000 Einwohner die beste Variante, garantiert dieser Status doch alljährlich hohe Subventionszahlungen aus Frankreich. Schul- und Gesundheitssystem sind auf europäischem Niveau, die soziale Absicherung ist gewährleistet, und alle Bewohner besitzen eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung für Frankreich. Damit bilden die beiden Inseln einen Anziehungspunkt für die Region, und trotz der Sprachbarriere – auf allen anderen Inseln wird Englisch gesprochen – kommen viele, um hier zu arbeiten.

Der Wohlstand hat aber auch seine Schattenseiten: "Die Leute kaufen alles im Supermarkt", ärgert sich Bruno. "Dabei wachsen die besten Früchte vor der Haustür. Aber sie kaufen die Dosen, weil sie verrückt sind nach Importwaren!" Inzwischen haben die Müllhalden ihre Kapazitätsgrenzen erreicht, vor allem Autoschrott ist ein großes Problem. Bisher hat es niemand gewagt, sich der Sache anzunehmen. "Es ist die Aufgabe Frankreichs, etwas gegen den Müll zu unternehmen. Für alles andere haben sie doch auch so viel Geld", ist er überzeugt.

Bruno legt viel Wert auf die eigenständige Kultur seines Landes. Guadeloupe gehört zwar zu Frankreich, aber Guadeloupe ist nicht Frankreich – Guadeloupe ist karibisch. Abgesehen von Musik, Tanz und der kreolischen Sprache unterscheidet sich auch die Kochkunst vom europäischen Mutterland. Fisch, Ziegenfleisch, Brotbaumfrucht und Zuckerrohr sowie Kochbananen, Yams, Maniok und Reis sind Bestandteile der kreolischen Küche. Sie ist das Ergebnis verschiedenster Einflüsse. Die Küche der Kolonialmächte und jene der Sklaven aus Afrika ergänzte die traditionellen Speisen der Ureinwohner. Später kam noch die Kochkunst der Inder hinzu, die als Arbeitskräfte in die Karibik geholt wurden. Zu einem kreolischen Menü gehört ein deftiges Ziegencurry ebenso wie eine französische Vinaigrette.

Mehr als der Einfluss auf die Küche ist von den Karaiben nicht geblieben. Eine kleine Gruppe lebt heute noch auf der Nachbarinsel Dominica, wohin die Franzosen die widerspenstigen Ureinwohner deportierten, um in Ruhe die von Sklaven bewirtschafteten Zuckerrohrplantagen betreiben zu können. Nachdem die Sklaverei 1794 in den französischen Kolonien aufgehoben wurde, führte sie Napoleon mit tatkräftiger Unterstützung seiner Frau, Kaiserin Joséphine, wieder ein. Heute steht das Denkmal der Kaiserin in Fort-de-France auf Martinique kopflos auf dem Zentralplatz. (Mirjam Harmtodt/DER STANDARD/Rondo/16/11/2007)