Meg Baird: "Dear Companion" - Drag City 2007

Und nun doch noch: Dear Companion von Meg Baird liegt zwar schon lange am und im Herzen, konnte aufgrund widriger Umstände aber noch nicht an dieser Stelle gewürdigt werden. Aber was sind ein paar Monate Verspätung - das Album ist im Frühjahr in Österreich erschienen - bei solch einem zeitlosen Werk. Das hat sich vielleicht auch die Künstlerin selbst gedacht, denn die Aufnahmen entstanden schon vor 2005, quasi als Nebenprodukt bei der Arbeit am zweiten Album der "Espers". Baird ist eine der Gründerinnen dieses psychedelischen Sextetts aus Philadelphia, dessen Stil Gitarrist Greg Weeks einmal so charakterisiert hat: "Traditioneller Folk trifft Black Sabbath."

Während die Espers, Fixsterne in der gute Konjunktur genießende Schublade "neue" US-Folkszene, schon einmal recht laut werden können, wurde Dear Companion zu einer äußerst zurückgenommenen Angelegenheit. Die zehn Songs der Vinyl-Version werden allein getragen von Bairds kristalliner Stimme, die fraglos die Kapazität besitzt das Grönlandeis schneller zum Schmelzen zu bringen als alles Kohlendioxid der Welt, und ihrer akustischen Gitarre. Gezupft, nicht geschrammelt. Nur zwei davon sind Eigenkompositionen (Riverhouse In Tinicum erinnert ganz stark an Nick Drake, Maiden In The Moor Lay ist wenig auffällig), der Rest Coverversionen - natürlich aus der Referenzperiode der 1960er und 1970er Jahre - und Interpretationen uralter Traditionals. Alles in allem eine gut ausbalancierte Mischung.

Da Baird der Ausstrahlung der Songs vertraut und auf Effekte mit Ausnahme eines einsamen (und umso auffallenderen) Hallchens und einer zweiten Stimme verzichtet, um das Material von "totaler Wörtlichkeit" zu befreien, resultiert ein harmonisches Ensemble. Bei den Aufnahmen habe sie sich bemüht, mit ganz wenigen Takes auszukommen. Daher habe sie sich vorgenommen "wie verrückt zu üben", so Baird. Und das trotzdem sie die Lieder in- und auswendig kennt und manche schon seit Jahren im Repertoire hat.

Wie bei der recht rustikalen Kollaboration mit Schwester Laura ("The Baird Sisters"), wird Megs Verwurzelung in der tratitionellen Musik der Appalachen auch auf Dear Companion deutlich. Besonders dann, wenn die fahle Eintönigkeit des diatonischen Mountain-Dulcimer (der amerikanischen Version der Zither) die Altertümlichkeit von Songs wie dem englischen Traditional Sweet William And Fair Ellen noch verstärkt.

Verlorene Liebe, unerfüllbare Sehnsucht oder die Unmöglichkeit des Ausbruchs aus dem bedrückenden Dasein sind die bestimmenden Themen, keine Spassettln also. Und doch könnte die Tatsache, dass das Album mit einem schmerzlichen Lament anhebend damit endet, dass ein glückliches Paar (das einzige allerdings, den übrigen gelingt die Vereinigung bestenfalls im Tode) gemeinsam in den Sommertag reitet, als ein tröstlicher Fingerzeig interpretiert werden.

Mit dem epischen Willie O'Winsbury kommt das Beste jedenfalls am Schluss. Gleich die Eröffnungsakkorde nehmen gefangen, und das Verfolgen der Geschichte über die Liebe einer Königstochter ist so vergnüglich ("Cast off your berry-brown gown!", fordert der nach jahrelangem Kriegszug eben heimgekehrte Vater ohne Umschweife, als er den verräterisch gewölbten Unterkörper der Maid erblickt.) wie herzergreifend. Das hingehauchte "Janet" - ein ungewöhnlich mediokrer Name übrigens für einen Spross des Hochadels - sucht seinesgleichen und muss in der Wertung der erschütterndsten Worte der Gesangsgeschichte in der absoluten Spitzengruppe liegen. Wenn auch Jacques Bréls unvergleichlich intoniertes "puis" aus Orly nicht ganz erreicht wird: Megs Seufzer allein rechtfertigt mit Leichtigkeit den Erwerb des ganzen Albums.

Meg Baird will mit Dear Companion nicht nach den Sternen greifen, vielleicht gelingt ihr gerade deshalb eines der hinreißendsten Alben des schon wieder zu Ende gehenden Jahres. Es muss vielleicht öfter als einmal gehört werden, bevor es desto sicherer durch seinen unaufdringlichen Charme gefangen nimmt. Viele Ideen zu Arrangements sind Meg in den Vorortezügen Philadelphias gekommen, sie funktionieren auch auf der Westbahn ganz prima. (Michael Robausch)