"Der Text ist am Ende immer wichtiger und besser als sein Autor": Thomas Ballhausen.

Foto: Heribert Corn
Wien – Nein, sein wievieltes Buch Die Unversöhnten ist, weiß Thomas Ballhausen leider nicht so genau. "Es wird das siebte literarische sein", vermutet er. "Bei den wissenschaftlichen Sachen sind es eher noch ein paar mehr."

Der 32-jährige Wiener ist ein geradezu idealtypischer Vertreter der prekären Generation, die sich ihre Jobs selbst schaffen muss. Will, würde er sagen. Er hat eine Buchhändlerlehre absolviert und Komparatistik studiert, lehrt am Institut für Vergleichende Literaturwissenschaft und arbeitet im Filmarchiv. Vor allem aber schreibt er. Viel und leidenschaftlich, Literarisches und Wissenschaftliches. Ja, davon kann man leben.

"Wenn mich als Kind jemand gefragt hat, was ich werden will", erinnert sich Ballhausen, "habe ich immer gesagt: Astronaut oder Bibliothekar. Jetzt könnte man sagen: So etwas Ähnliches wie Bibliothekar bin ich geworden, trotzdem fühlt es sich manchmal nach Astronaut an." Im besten Fall würden sich Wissenschaft und Literatur in seiner Arbeit befruchten: "Mich interessiert ein Dialog zwischen den beiden, ohne dass der Text an Profil verliert." Ballhausens jüngste Prosaveröffentlichung Die Unversöhnten ist sein bemerkenswertestes Buch bislang, ein gut abgestimmter Mix aus Artifizialität und Geschichtenerzählen, Mythologie und Gegenwartsbezügen, Hoch- und Popkultur, fantastischen und realistischen Elementen.

Die Figur des Minotaurus, der als Familienschande im Kellerlabyrinth gehaltene Außenseiter, tritt hier in einer apokalyptischen, an Städte von heute gemahnenden Umgebung als Auftragskiller auf: "Außen regnet es, innen bleibt die Zeit stehen. Der Auftrag an mich war, wie immer, im toten Briefkasten hinterlegt worden." Der Killer ist müde geworden, er mordet nur noch aus Gewohnheit. Eine traurige Liebesgeschichte gibt ihm den Rest: "Die beste Lösung scheint mir nun die Auflösung."

Im Prinzip ist Die Unversöhnten eine Liebesgeschichte. Natürlich eine über Liebe, die nicht funktioniert. "Meine Hauptthemen sind immer Hunger und Angst", sagt Ballhausen, "deshalb kommen oft Liebesgeschichten raus. Mich interessieren alle Facetten, von der Romantik bis zur Grausamkeit, wo Liebe uns befreit und wo sie uns kreuzigt." Das neue Buch sei in der Hinsicht sein "wahrscheinlich härtestes bisher".

Ballhausen hat die vier Kapitel des knapp 100 Seiten dünnen Werks in kurze Paragrafen unterteilt. Für den Archivar aus Leidenschaft ein Ordnungsprinzip, für den Leser eine Gliederung, die die im besten Sinne fordernde Lektüre etwas erleichtert. Wobei es für den Autor auch in Ordnung geht, wenn nur die Hälfte der Anspielungen im Text beim Rezipienten ankommt: "Die erste Ebene der Erzählung ist hoffentlich für alle verständlich. Alles andere, was an reflexiven Passagen drin ist, ist Zusatzangebot, auf das man sich einlassen kann, aber nicht muss."

Die Unversöhnten ist nach einigen Publikationen in sehr kleinen Verlagen Ballhausens zweiter Prosaband im etwas größeren Innsbrucker Verlag Skarabaeus. Noch steht er relativ am Rande des Literaturbetriebs. Geht es nach ihm, muss der Weg auch gar nicht zum Zentrum hin führen: "Wenn man mir das Etikett ,Schwieriger‘ umhängt, verstehe ich das als Kompliment. Unter den jüngeren Autoren kriegt man das ja schnell."

Die lächerlich kleingeistige aktuelle Diskussion um den Erfolg einiger weniger österreichischer Autoren, der anderen Literaturbetrieblern sauer aufstößt, nimmt Ballhausen mehr als amüsierter Außenseiter wahr: "Begrüßenswert wäre, dass man seine ästhetischen Feindschaften und Unterschiede pflegt – und sich trotzdem grüßen kann. Ich möchte meine Energie lieber in meine Arbeit stecken als in die Inszenierung meiner Person."

Obwohl er durchaus über die Fähigkeit verfügen würde, sich selbst gut zu verkaufen, ist für Ballhausen der Text der wahre Star: "Ich glaube, dass am Ende der Text immer wichtiger und besser ist als sein Autor." (Sebastian Fasthuber, DER STANDARD/Printausgabe, 14.11.2007)