Ein Zweitwohnsitz eines Österreichers in Deutschland reicht dann für Forderungen des deutschen Fiskus aus.

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Auch wenn Österreich ab August 2008 aus steuerlicher Sicht zum Erbschaftsparadies wird: Sind ausländische Wohnsitze oder Vermögenswerte im Spiel, sieht die Sache anders aus. Das gilt insbesondere für Deutschland, das Schlupflöcher ins südliche Nachbarland schließen wird. Dann werden auch Österreicher in Deutschland steuerpflichtig, wenn sie dort über einen Wohnsitz verfügen. Das Gleiche gilt für die nördlichen Nachbarn mit Wohnsitz in Österreich.

Betroffen ist nicht etwa das im jeweiligen Land befindliche Vermögen, sondern weltweit vorhandener Besitz. Bei 250.000 Auslandsösterreichern in Deutschland und geschätzten 100.000 Deutschen hierzulande dürfte die neue Steuerfreiheit zumindest für Personen mit grenzüberschreitenden Aktivitäten zum Bumerang werden, zumal die Belastung in Deutschland deutlich höher ist als in Österreich. "Der deutsche Fiskus kann völlig ungebremst auf Vermögen in Österreich zugreifen", erläutert Friedrich Fraberger, Partner bei der Beratungsgruppe KPMG. Mit der in Berlin gerade beschlossenen Reform des Systems werden künftig die echten Verkehrswerte für die Erbschaftssteuer herangezogen, allerdings durch hohe Freibeträge abgefedert.

Ein Beispiel: Stirbt ein Österreicher, der in München über einen Zweitwohnsitz verfügt, unterliegen die Erben voll der deutschen Erbschaftssteuer. Das gleiche gilt, wenn der deutsche Erblasser in Österreich wohnte und seine Heimat vor weniger als fünf Jahren verlassen hat. Dazu kommt, dass auch der Wohnsitz des Erben in Deutschland für eine Besteuerung ausreicht.

Berlin wurde hellhörig

Grund dafür ist die Kündigung des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) der beiden Länder durch Berlin per August 2008. Der seit 1954 geltende Vertrag hat dafür gesorgt, dass das von beiden Staaten grundsätzlich angewandte Prinzip der unbeschränkten Steuerpflicht bilateral ruht. Unbeschränkt heißt, dass die Vermögen weltweit als Basis für die Besteuerung herangezogen werden.

Doch dann kam die Entscheidung des Verfassungsgerichtshof, der die Erbschaftssteuer aufhob, und die SPÖ konnte sich mit ihrem Wunsch nach einer Reparatur des Gesetzes nicht gegen die ÖVP durchsetzen. Da wurde Berlin – nicht zuletzt wegen bereits einsetzender Werbeaktivitäten der staatlichen Ansiedlungsgesellschaft Austrian Business Agency – hellhörig. Und kündigte das Doppelbesteuerungsabkommen, um Erbschaftstourismus zu vermeiden.

Mit dem Ende der Vereinbarung kommen überdies einige zusätzliche Begünstigungen abhanden. So war beispielsweise die Vererbung von Kapitalvermögen durch einen österreichischen Erblasser nach Deutschland bisher steuerfrei. Das ändert sich durch den Wegfall des DBA.

Steuerfalle schnappt zu

Die Angelegenheit könnte durchaus ökonomische Folgen haben, meinen Experten. So haben sich beispielsweise deutsche Immobilienfonds in Österreich stark ausgebreitet, weil sie Wohnungen und Häuser dank des DBA gut anbrachten. Diese Entwicklung dürfte nun kräftig gebremst werden. Betroffen sind auch österreichische Firmen, die über Beteiligungen in Deutschland verfügen. Auch hier wird die Steuerfalle zuschnappen, ausgenommen nach der neuen Regelung sind nur Anteile, die zehn Jahre lang gehalten werden. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.11.2007)