Mit eindringlichen Worten forderte der Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Karl Korinek die Regierung auf, das Fremdenrecht zu reparieren.

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Wien – "Das ist höchstes Alarmzeichen für den Gesetzgeber." Mit eindringlichen Worten forderte der Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Karl Korinek, am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ die Regierung auf, das Fremdenrecht zu reparieren. "Der Gesetzgeber soll jetzt endlich etwas tun. Da passt alles hinten und vorne nicht."

Mittlerweile gebe es so viele Punkte, die verfassungsrechtlich beanstandet worden seien, und Vorfälle wie die geplante Abschiebung einer behinderten 80-jährigen Türkin oder eines sechsmonatigen Babys, dass "der Gesetzgeber endlich das Gesetz ordentlich konzipieren und reparieren sollte. Der Verfassungsgerichtshof kann immer nur ein Stückerl reparieren". Jetzt sei die Politik an der Reihe, so Korinek: "Man weiß um diese Fehler." Und will dennoch bis Ende 2008 warten, um die Fremdengesetze zu evaluieren, wie Innenminister Günther Platter (ÖVP) angekündigt hat. "Ich verstehe es nicht", meinte Korinek zu dieser großzügig bemessenen Frist: "Er weiß auch, dass es in einzelnen Bereichen verfassungswidrig ist. Das ist alles auf dem Tisch."

"Kein Recht auf Einwanderung"

Die vom VfGH jüngst vorgelegte "Checklist" zum Bleiberecht interpretiert Korinek als Zusammenfassung jener Indikatoren, die der europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg anwende. Die entscheidenden Behörden in Österreich wüssten so: "Auf diese Umstände kommt es an."

Zum Bleiberecht meinte Korinek wie die Straßburger Richter: "Es gibt kein Recht auf Einwanderung", aber ein Recht, dass das Familienleben nicht beeinträchtigt wird. Allerdings: "Die Jahre allein können nie maßgeblich sein." Begründete "Hoffnungen" machen könnten sich jene Ausländerinnen und Ausländer, die eine bestimmte Anzahl von Jahren – Korinek sprach von fünf – in Österreich verbracht hätten, integriert seien und sich nicht strafbar gemacht hätten. "Dann bleibt noch immer ein Ermessensspielraum" – des Ministers.

Eine Generalamnestie angesichts der vielen offenen Asylfälle hält der Höchstrichter für eine politische Entscheidung. Vorstellbar wären "innovative" Lösungen wie eine vorläufige Amnestie mit Widerrufsmöglichkeit, etwa bei Straffälligkeit der Amnestierten. Der von der Regierung geplante Asylgerichtshof bereitet dem VfGH-Präsidenten "kein Bauchweh. Es ist eine rechtspolitisch mögliche Lösung. Ich weiß nicht, ob die bessere", sagte Korinek. Eine Beschränkung der Instanzenzüge sehe er jedenfalls nicht. Mit seiner Aussage "Ich habe manchmal den Eindruck, wir werden ähnlich stark überwacht wie seinerzeit die DDR-Bürger von der Stasi" habe er nicht die Methoden gemeint, sondern das "Ergebnis", das nun einmal "eine ganz intensive Überwachung" sei – durch 200.000 Videokameras, sogar am Friedhof, durch die Online-Überwachung oder die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung aller Handy-Telefonate über ein halbes Jahr lang.

Nein zum E-Voting

Korinek forderte vor allem eine "ordentliche gesetzliche Regelung" zu diesen Überwachungsmaßnahmen. Die EU-Handy-Richtlinie – „eine sehr gravierende Sache“ – hält Korinek ohnehin für "nicht sakrosankt", Österreich könnte ein Verfahren vor dem EuGH "riskieren", um die Frage zu klären: "Ist das Grundrecht der Privatheit tangiert oder nicht?" – oder "nur umsetzen, was man für sinnvoll hält, also eingeschränkt." Ein dezidiertes Nein deponierte Korinek zum "E-Voting", das 2009 bei der ÖH-Wahl getestet werden soll. Angesichts der löchrigen Anonymität im Internet sei die elektronische Stimmabgabe derzeit "absolut unseriös". (nim, DER STANDARD, Printausgabe, 5.11.2007)