Christian Enzinger will Lähmungen mit Handroboter beheben.

Foto: Med-Uni Graz/Sissi Furgler
„Use it or lose it“ lautet auch das Motto, um fit im Hirn zu bleiben. Der Neurologe Christian Enzinger leitet an der Med-Uni Graz die Forschungsgruppe „Neuronale Plastizität und Reparatur“. An der Abteilung für Neurologie untersucht er, inwieweit das Gehirn auf Schädigungen – etwa durch einen Schlaganfall oder Multiple Sklerose – „plastisch“ reagieren kann. Denn das Gehirn ist in der Lage, verlorengegangene Funktionen teilweise wiederherzustellen, indem es andere Hirnareale aktiv werden lässt. Der Grazer untersucht in Zusammenarbeit mit einem Rehabilitationszentrum, wie sich hochgradige Lähmungen der Hand mittels eines eigens entwickelten Handroboters verbessern lassen. „Wir wollen verstehen, wie man das Gehirn gezielt beüben kann, welche Erfolgsaussichten das Training hat und wie lange es dauern sollte“, so der 34-Jährige.

In das Denkorgan blickt die Neurowissenschaft mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT). Das Verfahren kann Änderungen der Aktivierung von Nervenzellen-Verbänden bei der Bewältigung verschiedener motorischer, sinnlicher oder kognitiver Aufgaben darstellen. In dem Grazer Forschungsprojekt sollen Trainingserfolge bei der Steuerung der Handbewegung mittels fMRT sichtbar werden.

Die fMRT-Methode tut nicht weh, erfordert aber sorgfältige Vorbereitung der Probanden, denn sie müssen das Experiment genau verstehen. Je nach Untersuchungsgegenstand werden die Sequenzen von Physikern optimiert, und auch die kundige statistische Analyse ist knifflig. Bei einer Untersuchung werden mehrere Tausend Schichtaufnahmen angefertigt, und die Aktivierung im Gehirn ist auch ohne die Tücken der Technik sehr individuell. Genau diese Kombination von Hochtechnologie, Interdisziplinarität und der Arbeit mit PatientInnen bereitet dem Forscher Freude. Beobachtungsgabe, Neugier und analytisches Denken hält er für seine Arbeit für unabdingbar.

Schon während des Studiums an der Medizinischen Uni Graz faszinierte ihn das Gehirn und wie es durch verschiedene Erkrankungsprozesse in seiner Funktion bedroht wird. Mit einem Erwin-Schrödinger-Stipendium legte er in Oxford die Grundlage für das Erlernen der neuen Methode fMRT. An der englischen Uni wehte für ihn ein „akademischer Wind, und allgegenwärtiger Forschungsdrang ist spürbar“. Dass Forschung für alle wichtig ist, muss dort nicht erklärt werden, ganze Labors werden mit Drittmitteln finanziert. Forschung wird nicht als Privatvergnügen einzelner „freaks“ abgetan.

70-Stunden-Woche

Seit der Geburt seiner Tochter vor zwei Jahren versucht er einen Tag in der Woche arbeitsfrei zu halten. Forschung, Klinik, Lehre und Reisetätigkeit summieren sich ja leicht auf eine 70-Stunden-Woche. Um geistig fit zu bleiben, will er lebenslang lernen und sich geistig herausfordern, was ohnehin wie seine Job-Description klingt.

Auch seine Freizeit fordert das Gehirn: Er genießt Musik (Jazz, Blues & Rock) – einst aktiv an Bass und Saxofon, heute als Konzertbesucher oder vor der Stereoanlage – sowie Ausdauersport. In England war er auch Mitglied des universitären Triathlonklubs. Im Umgang mit stressbedingten Konzentrations- und Gedächtnisstörungen plädiert der Neurowissenschafter für mehr Nachsicht: nicht gleich die Nerven wegschmeißen, sondern eigene Unzulänglichkeiten auch akzeptieren. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe, 31.10.2007)