Ansichtssache
Gerichtszeichnungen von Oliver Schopf

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Wien - Am Dienstag, Tag 44 des Bawag-Prozesses, konnte man auf der Bühne im Großen Schwurgerichtssaal erstmals einen Blick hinter die Kulissen der Kulissen werfen: Zwei Ermittler der derzeit 15-köpfigen Sonderkommission Bawag (innerhalb des Bundeskriminalamts auch "Soko Flip" genannt; in Anlehnung an die Heuschrecke aus der "Biene Maja") waren als Zeugen geladen. Der zweite verwies auf seinen Bericht - und wurde nach fünf Minuten entlassen.

Sie sollten die nicht uninteressante Frage erhellen, wo eigentlich das viele Geld gelandet ist, das die Bawag Wolfgang Flöttl gepumpt und dieser versenkt hatte. Ein Thema übrigens, dem sich auch der neue Gutachter, Wirtschaftsprüfer Fritz Kleiner, widmet.

Verlustaudit

Soko-Ermittler Andreas Herb ("Ich durfte auch Helmut Elsner aus Frankreich nach Wien überstellen, wohlbehalten") hat sich mit jenem Verlustaudit beschäftigt, das das damals angesehene (in Folge des Enron-Skandals aber 2002 zerschlagene) US-Wirtschaftsprüfungsunternehmen Arthur Andersen im Auftrag einer Flöttl-Gesellschaft erstellt hat. Der Zeuge berichtete von "tausenden Seiten von Arbeitsunterlagen", letztlich habe das Arthur-Andersen-Gutachen ausgesagt, "dass die Verluste 2000 im Großen und Ganzen eingetreten sind".

Im Großen und Ganzen? Herb: "Arthur Andersen hat nur 69,9 Prozent aller Geschäfte Flöttls genau überprüft, diese aber zu 100 Prozent." In Zahlen: Von den damals behaupteten Verlusten in der Höhe von 464 Mio. Euro seien 322 Mio. Euro auch tatsächlich nachvollzogen worden. Die restlichen 142 Mio. Euro, "die Luft zwischen dem, was geprüft, und dem, was behauptet wurde", (Herb) wird wohl der Gutachter aufzufüllen versuchen.

Die simple Frage eines Verteidigers, die sich in der Causa Bawag freilich alle stellen ("Wer hat gewonnen?") beantwortete Flöttl so: "Makler wie Lehman Brothers, Morgan Stanley oder Deutsche Bank".

Wer hat gewonnen?

Die seien aber wiederum für Kunden tätig, "wohin das Geld von ihnen floss, ist aber nicht nachvollziehbar", meinte der Anwalt eines Ex-Vorstands, was Flöttl so nicht im Raum stehen lassen wollte. Ungeduldig zeigte er mit dem Mikrofon in der Hand auf, bis ihm Richterin Claudia Bandion-Ortner das Wort erteilte: "Dieser Verdacht ist so ungeheuerlich, man kann alle Broker fragen, wie sie mit dem Geld weiter verfahren sind, ich würde jede Vollmacht unterschreiben, die dafür notwendig ist", schnaubte der ansonsten so stoische Investor.

Zudem hat die Soko herausgearbeitet, dass Flöttl auch nach dem "Totalverlust" 2000 noch Geld in die Hand bekam - wie immer von der Bawag. Das Pikante daran: Damals, im Jänner 2001, herrschte im Vorstand und bei den Wirtschaftsprüfern gerade hektische Betriebsamkeit, eine Bilanz herzustellen - was bekanntermaßen erst gelang, als der ÖGB mit seiner Haftung einsprang. Konkret ging es um Entnahmen von 13 Mio. Dollar, die laut Angeklagtem Peter Nakowitz dafür gedacht waren, "Ansprüche abzudecken und Fonds zu liquidieren".

Elsner: "Da wird so viel geschwindelt"

Tatsächlich hatte Flöttl das Geld in eine Option gesteckt, die diesmal sogar in einen Gewinn mündete. Die daraus resultierenden insgesamt 17 Mio. Dollar überwies Flöttl (wie er vor Gericht betonte, und was der Kriminalpolizist bestätigte) im April 2001 an die Bawag, besser gesagt: an ihr zuzurechnende Privatstiftungen in Liechtenstein. Die Begründung Flöttls: Er habe das alles mit Nakowitz und Elsner so besprochen, was letzteren zu folgender Reaktion veranlasste: "Das ist eine Lüge, da wird so viel geschwindelt, das ist unfassbar", was wiederum das spärliche Publikum im Saal hörbar erheiterte.

Unklar blieb, warum Nakowitz im April 2005 Flöttl aufgetragen hatte, rund 320.000 Dollar an die Galonia Stiftung in Liechtenstein zu überweisen. Die Stiftung befindet sich im Umfeld von Investor Martin Schlaff, hat schon zu Zeiten seiner DDR-Geschäfte bestanden. Laut Nakowitz hatte die Überweisung mit den Provisionszahlungen rund um die von Schlaff vermittelten US-Gesellschaften zu tun, "der Bereich Schlaff" habe ihm das Überweisungsziel genannt. Und: "Ich habe das alles an den Vorstand berichtet." Selbiger, so weit im Gericht anwesend, konnte sich durch die Bank "nicht erinnern". (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.10./1.11.2007)