Katharina Chudzikowski

Foto: Katharina Chudzikowski
Karrieren werden flexibler, vielfältiger, fragmentierter. Positiv betrachtet heißt das ein Zugewinn an Möglichkeiten. Als Schattenseiten dieser Veränderungen bedeutet das aber auch erhöhten Leistungs- und Anpassungsdruck, verminderte Sicherheit und Planbarkeit. Einfach zwei Seiten derselben Medaille?

Befragung unter Wirtschaftsakademikerinnen

Die Wirtschaftsakademikerinnen und -akademiker im Vienna Career Panel Project (Abschlussjahre 1970, 1990, 2000) wurden (1) zur empfundenen Veränderlichkeit von Arbeitsinhalten und beruflichen Beziehungen, (2) zu ihrer Zuversicht in Bezug auf ihre beruflichen Perspektiven und (3) zu ihrer diesbezüglichen Abhängigkeit von Personen, Organisationen und Systemzwängen befragt. Die Antworten spiegeln die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte wider.

Empfundene Veränderlichkeit

(1) Gilt die oft postulierte Flexibilisierung im Berufsleben? Bei der empfundenen Wechselhaftigkeit der Arbeitsinhalte und beruflichen Beziehungen zeigte sich bei den Befragten eine beinahe lineare Zunahme. Je jünger die Kohorte, desto stärker das Empfinden von Veränderlichkeit.

Zuversicht

(2) Wie sieht es mit der Zuversicht aus? Hier repräsentiert sich die empfundene Sicherheit der Karriereperspektiven bei gleichzeitigem Bewusstsein, im Bedarfsfall eine adäquate alternative Stelle zu finden. Die Absolvent/innen aus den 1970ern haben zuversichtlicher in die Zukunft geblickt als ihre Nachfolger/innen, die in den letzten zwei Jahrzehnten ins Berufsleben gestartet sind.

Karriereparadigma

(3) "Weniger Sicherheit, mehr Freiheit und Unabhängigkeit" - eine Kernüberzeugung des neuen Karriereparadigmas. Gilt dieser "New Deal" tatsächlich? Unseren Ergebnissen zufolge nicht einmal für hochqualifizierte Wirtschaftsakademiker/innen: In puncto Abhängigkeit der eigenen Karriere von äußeren Faktoren unterscheiden sich die Kohorten kaum.

"Schöne" neue Karrierewelt

Die Schlussfolgerung aus den Resultaten wirft ein gedämpftes Licht auf die schöne(?) neue Karrierewelt. Nicht nur, dass sie sich in vielerlei Hinsicht immer schneller dreht. Im Vergleich zu früher steigt - in frühen Berufsjahren - selbst für Hochqualifizierte das Gefühl von "Karriereverzweiflung": unsicherer Job, wenig Alternativen. Ein Mehr an Unabhängigkeit im Gegenzug gibt es dafür aber nicht. Möglicherweise also eine Medaille mit nur einer Seite ... (Katharina Chudzikowski*, DER STANDARD, Printausgabe, 27./28.10.2007)