Ein "Iskwaterpangk" gewährt Einblick in seinen Alltag: Regisseur Khavn begleitet obdachlose Kinder in Manila.

Foto: Viennale

Üblicherweise hinterlassen Dokumentarfilme, die ihre Bilder und Geschichten aus den Elendsvierteln der aus allen Nähten platzenden Großstädten dieser Welt beziehen, ein unangenehmes Gefühl; umso mehr, wenn die betreffende Stadt beim Zuschauer bereits dank Presseberichten und Fernsehbeiträgen ein doch letztlich unwissendes und von Vorurteilen versponnenes Bild hinterlassen hat.

Die philippinische Hauptstadt Manila mit ihren momentan rund 1,5 Millionen Einwohnern im Zentrum der Stadt ist der Schauplatz dieser Dokumentation, genauer der nordöstlich gelegene Teil Quezon City mit seinen Slum-Gebieten.

Direkter Blick zurück

Ein dürrer Junge mit selbstfabriziertem Irokesenhaarschnitt läuft der Kamera voraus, tritt gegen Müllsäcke und hebt hie und da prüfend Plastikflaschen aus dem Schlamm, er schlägt Haken und hält immer wieder den Blickkontakt zu dem, was neben der Kamera geschieht, der Blick des Kinozuschauers wird selbstbewusst zurückgeworfen. Die einander abwechselnden Schwarz-Weiß- und Farbaufnahmen bilden hier einen Dialog mit der dem gesamten Film unterlegten Punkmusik. Gitarrenkratzen und Bässe bis in die Magengrube lassen eine atemlose gute Laune entstehen, wenn da nicht diese Bilder von Holzbaracken und Dächern aus Plastikplanen wären, sodass der Kontrast beim Zuschauer weiter seine Kreise ziehen kann.

Der 34-jährige philippinische Filmemacher und Musiker Khavn de la Cruz "begleitet" in "Iskwaterpangk / Squatterpunk" mit seiner Videokamera im wahrsten Sinne des Wortes die acht- bis zwölfjährigen obdachlosen Kinder bei ihrer täglichen Arbeit: Sie sammeln Plastikmüll am Strand auf, um diesen dann zu verkaufen. Die offensichtlich unterernährten Kinder begrüßen einander mit Handabklatschen und breitem Grinsen im Gesicht, kurze Regenschauer im feuchtheißen Klima bieten Gelegenheit, sich gemeinsam irgendwo unterzustellen, herumzualbern und zu singen, und die Kamera ziehen sie dabei mit sich.

Die sich neckende Truppe sucht eine Unterkunft für die Nacht: Hieraus erklärt sich denn auch der Titel des Films, etwas frei übersetzt "verdreckte Hausbesetzer". Khavn weiß, was er zeigt. Nie verliert er den Kontakt zur Gruppe, kein Blick ist mitleidig oder mahnend. Er filmt nicht von außen, sondern ist mittendrin und lässt sich führen, ist unwissend für die 79 Minuten des Films und lässt sich die so völlig andere Welt der Kinder in ihrer eigenen Sprache zeigen.

Es gibt weder einen Originalton, noch einen eingesprochenen Kommentar, allein die Musik - von The Brockas, Bobby Balingit, Tengal, Buccino P. De Ocampo - überlässt dem Zuschauer seine ganz eigene Interpretation und lässt ihn einfach sehen, was "ist", ohne zu belehren. Und so zollt dieser Film den Protagonisten das einzig Wahre und doch so Rare: Respekt. (Claudia Siefen / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.10.2007)