Eine Vision von einem neuen Gibellina, in welchem man den dramatischen Verlust des alten als eine Chance begreifen konnte. Und weil der Mann in geradezu rührender Weise an die Kunst glaubte (das kann man noch heute heraushören, wenn er darüber spricht), dachte er ihr in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Rolle zu.
Deshalb gibt es in Gibellina heute neben vielem anderen, das dieses ambitionierte, emanzipatorische Projekt mit sich brachte, auch einen Joseph-Beuys-Platz. Und wahrscheinlich kann man an kaum einem anderen Ort so schön über das Organische, Prozesshafte, Vegetative von Objekten, Skulpturen oder Bauten nachdenken wie hier, wo ein moderner Sakralbau von Ludovico Quaroni seine Eröffnung nach einem Dacheinsturz nicht erlebte und seit mehreren Jahrzehnten unvollendet wieder verfällt, überwuchert wird. Und nein, als eine Ruine könne man die Chiesa madre nicht bezeichnen, sagt der neue Bürgermeister.
Der ist eigentlich Anwalt, seine Gemeinde hat ihn aber auch zu einem patenten Kunstvermittler werden lassen: Das Eisen, aus dem einzelne der wie betörende UFOs in der Landschaft platzierten Kunstwerke hergestellt wurden, würde eben rosten: "Der Künstler hat es so gewollt!"
Der jüngste Dokumentarfilm des österreichischen Filmemachers, Kameramannes und Fotografen Joerg Burger heißt so wie der Ort und das Ereignis, das seine jüngere Geschichte nachhaltig geprägt hat: Gibellina - Il terremoto/ Gibellina - Das Erdbeben. Er konfrontiert die Betrachterin in ruhigen, großformatigen Aufnahmen mit einer Kulturlandschaft. Und immer wieder gibt es Begegnungen mit Menschen, die dort leben und sich zu dieser äußern.
Manche von ihnen sind (und waren es wohl immer schon) Skeptiker, andere bezeichnen sich als Optimisten. Die Pragmatiker merken an, auch wenn Gibellina das "größte Freilichtmuseum moderner Kunst in Italien und vielleicht sogar in Europa" sei und es etwa in einem Nachbarort keine Kunst gäbe, so hätte dieser dafür "ein hervorragendes kleines Industriegebiet mit Handwerkern".