Ein (vermeintlich) dienstergebener Konzernmitarbeiter: Simon (Mathieu Amalric) wird in "La question humaine" ein delikater Auftrag übertragen.

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Simon (Mathieu Amalric) wird von seinem Chef ins Vertrauen gezogen. Damit fangen meistens Probleme an. Als Psychologe des Großkonzerns SC Farb soll er einen der langgedienten Mitarbeiter der Chefetage, Mathias Just (Michael Lonsdale), auf seinen seelischen Gesundheitszustand überprüfen. Es mehren sich Gerüchte, er würde von geistigen Aussetzern geplagt, sei unkonzentriert und unkommunikativ. Simon soll so diskret wie möglich überprüfen, ob für die Firma eine Gefahr droht.

La question humaine beginnt also mit einem Auftrag zu einer Bespitzelung. Eigentlich geht es jedoch in Nicolas Klotz' Film, der auf dem gleichnamigen Roman von François Emmanuel basiert, nicht um die Diagnose eines Einzelnen, sondern um die des Unternehmens selbst: um eine Kultur, die auf Misstrauen basiert und keine Schwächen toleriert, sowie um Mechanismen, die Fehlleistungen von Mitarbeitern sanktionieren.

Simon, ein auf den ersten Blick völlig dienstergebener Mitarbeiter, der sich beim letzten Personalabbau Lorbeeren verdient hat, ermittelt wie ein Arzt, der sich als Privatdetektiv tarnt. Unter dem Vorwand, ein Firmenorchester gründen zu wollen, um die Motivation der Angestellten zu steigern, versucht er das Vertrauen von Just zu gewinnen. Die Strategie geht auf, aber anders als Simon sich erhofft hat: Just zeigt Schwächen, behält aber zugleich auch die Kontrolle, weil er die Intrige durchschaut.

Nacht und Tag

La question humaine erinnert anfangs noch an einen Wirtschaftsthriller, der sich im realistischen Setting moderner Arbeitswelten bewegt, entwickelt sich dann aber zunehmend in Sphären, die nicht mehr so einfach zuordenbar sind: Zum einen liegt es daran, dass Simon selbst alles andere als ein stabiler und daher vertrauenswürdiger Protagonist ist. Das stromlinienförmige Image, das er sich zugelegt hat, täuscht. In der Nacht nimmt er an Clubbings teil, bei denen er sich körperlich völlig verausgabt. Klotz inszeniert diese sozialen Zusammenkünfte als düstere Gegenorte zur Welt aus Glas, die die Tage bestimmt.

Nach und nach verschwimmen in La question humaine die Grenzen zwischen dem Realen und dem Imaginären. Das Unternehmen erscheint immer weniger wie ein konkreter Ort, eher wie ein mentales Gebäude. Alles läuft schließlich auf einen weitreichenderen Verdacht hinaus: auf eine Art verdrängtes Kapitel der Unternehmensgeschichte, das wieder zum Vorschein kommt. Simon wird auf seinen Recherchen damit konfrontiert, dass sich bei mehreren Mitarbeitern ein Zusammenhang zum Nationalsozialismus finden lässt. Ein gewagter, ein auch etwas spekulativer Zug des Films, in dem das Unbehagen einen Moment lang greifbar wird. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 23.10.2007)