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"Mindestens fünf Prozent aller grundschulpflichtigen Mädchen in Wiesbaden sind jährlich vom Kopflausbefall betroffen", berichtet Michael Forßbohm, Leiter der Abteilung für Infektionsschutz vom Gesundheitsamt in Wiesbaden. In Österreich sieht es auf den Köpfen der Kinder nicht anders aus. Verantwortlich für die Verbreitung der unliebsamen Tierchen macht Forßbohm die Scham der Betroffenen: "Sie schweigen bei Lausbefall, denn das Gerücht, dass Kopflausbefall mit mangelnder Hygiene zu tun hat, hält sich." Das schadet im Endeffekt Kindern, die noch parasitenfrei sind, denn Kopfläuse treten nie isoliert auf, sondern sind immer ein Gruppenphänomen.

Panikfaktor

Neben dem Wunsch, sich zu verstecken, ist Panik bei Kopfläusen die häufigste Reaktion. Auch dazu bestünde, laut Forßbohm, kein Anlass. Zwingend für eine Ansteckung ist immer der Haar-zu-Haar-Kontakt. Die Kopflaus besitzt weder Flügel, noch ist sie in der Lage von einem Kopf zum anderen zu springen. Die Angst, sich über Mützen, Kuscheltiere und andere Gegenstände anzustecken, hält der deutsche Infektiologe daher für übertrieben: "Die Kopflaus lebt ausschließlich von menschlichem Blut, eine Übertragung mit Kopfbedeckungen ist zwar denkbar, aber eher unwahrscheinlich."

Auch anschließende Maßnahmen, wie das Waschen sämtlicher Kuscheltiere und Kleidungsstücke beziehungsweise tagelanges Aufbewahren in der Tiefkühltruhe, hält Forßbohm für überzogen. Falls sich die Laus tatsächlich ein Kuscheltier als temporären Aufenthaltsort gewählt hat, genügt es, dieses drei Tage lang aus dem Verkehr zu ziehen.

Juckreiz

Weshalb also die Aufregung? "Kopfläuse sind lästig, denn der Speichel der erwachsenen Tiere verursacht auf der Kopfhaut einen unangenehmen Juckreiz", erklärt Forßbohm. Was folgt, ist zwanghaftes Kratzen, die Haut ist zunehmend irritiert, und das begünstigt zusätzliche Hautinfektionen.

Primär gilt es daher, die kleinen Parasiten erst einmal wieder loszuwerden, und zwar rasch und endgültig. "Das kann jeder, entscheidend ist nur womit und wie", betont Forßbohm.

Effizient vernichten

Derzeit gilt international Permethrin als wirksamste Substanz gegen Kopfläuse. Falls nach Behandlung mit dem Insektizid noch Läuse überleben, liegt es, entgegen der gängigen Behauptung, nicht daran, dass die Läuse resistent sind, sondern entweder an einer unsachgemäßen Durchführung der Behandlung oder an einer erneuten Besiedelung.

Behandlungskombination

Konzentration und Einwirkungszeit sind die wesentlichen Parameter für eine korrekte Laustherapie. "Auf einem klitschnassen Kopf wird das Mittel zu stark verdünnt", erklärt Forßbohm und betont, dass die toxische Substanz auf handtuchtrockenem Haar mindestens 30 bis 40 Minuten einwirken muss. Der nachschlüpfenden Brut macht eine zweite Behandlung acht Tage später den Garaus. "Britische Forscher haben herausgefunden, dass bereits das Auskämmen der Läuse mit einem Läusekamm in 60 Prozent der Fälle zum endgültigen Erfolg führt", erzählt der Experte und empfiehlt eine Kombination aus chemischer und mechanischer Methode.

Im Vordergrund stehen auf jeden Fall Läuse und Larven. Nissen sind laut Forßbohm nicht das Problem: "Nissen sind leere Hüllen und ein kosmetisches Phänomen, das man tolerieren muss."

Aus Nissen lernen

Erwachsene Läuse legen ihre Eier immer ein bis zwei Millimeter über dem Haarboden ab. Das menschliche Haupthaar wächst monatlich einen Zentimeter, Jungläuse verlassen ihre Eier aber bereits nach einer Woche. Sind die Nissen also weiter als zehn Millimeter vom Haaransatz entfernt, so ist das der Beweis, dass die Larve bereits geschlüpft ist.

Nissenfreiheit

An Österreichs Schulen sieht man das leider ganz anders. Nissenfreiheit und ärztliche Atteste, die diese bestätigen, werden immer wieder von Eltern gefordert. Für Forßbohm ist diese Forderung das Ergebnis von Unwissenheit und daher vollkommen sinnlos. Umso mehr, als kein Arzt die Zeit hat, jeden Kinderkopf systematisch nach Auftragen einer Pflegespülung durchzukämmen und daher kaum guten Gewissens Nissenfreiheit bestätigen kann.

"Einziges Mittel, Läuse dauerhaft zu eliminieren, ist die rasche Untersuchung der gesamten Gruppe, auch der Kinder, die sich nicht betroffen fühlen", ergänzt Forßbohm. Den Ausschluss eines betroffenen Kindes und das an ein Attest geknüpfte Wiederkommen hält er nicht für den Königsweg. Denn dann ist zwar ein Kind draußen aus der Gruppe, aber die Läuse bleiben drin. (Regina Philipp, DER STANDARD, Printausgabe, 22.10.2007)