STANDARD:Sie geben sich so harmonisch. Dabei besteht zwischen Berlin und München eine geschichtlich gewachsene Rivalität.
Ude: Das will ich gar nicht bestreiten. Unsere Konkurrenz reicht zurück bis zu Ludwig Thomas Theaterkomödie "Die Lokalbahn". Da macht sich der bayrische Bauer über die Sommerfrischler aus Berlin lustig, und umgekehrt die Berliner über die Sepplhosenbayern ...
Wowereit: Ich glaube, dass die Bayern und die Preußen sich heute besser verstehen. Natürlich gibt es zwischen München und Berlin einen Wettbewerb, etwa, wenn wir uns um die Ansiedlung von Unternehmen bemühen. Dabei darf man nicht vergessen, dass Berlin einen Nachholbedarf hat. Diese Stadt war jahrzehntelang vom Rest abgeschnitten. München ist ähnlich wie Frankfurt ein Teilungsgewinnler.
Ude: Stimmt. Deshalb werden wir auch nicht nervös, wenn sich nun einiges wieder in der Hauptstadt Deutschlands ansiedelt.
Wowereit: Ohne die deutsche Teilung wäre Siemens nicht in München. In jeder Jubiläumsveranstaltung feiert das Unternehmen seine Gründung in Berlin. Das ist schön. Es gibt auch noch Produktion in Berlin, aber das ist natürlich weniger als die Zentrale hier. Wenn am Gründungsstandort noch mehr geschähe, hätte ich nichts dagegen.
Olympische Spiele
STANDARD:Zuletzt sind sich München und Berlin bei der Bewerbung um die Olympische Spiele in die Quere gekommen: München hat sich dabei als Bewerber in den Vordergrund gerückt und Berlin damit die Aussichten auf die Sommerspiele verbaut.
Ude: Ja, Klaus, da hast du zwischenzeitlich mal richtig gemosert. Aber jetzt hast du die Kurve wieder gekriegt!
Wowereit: Ich habe nicht gemosert, sondern immer gesagt, dass wir euch unterstützen. Aber ich kann natürlich nicht jubeln, wenn der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes, Thomas Bach, hier die Städte aus eigenen politischen Interessen gegeneinander ausspielt. Und ihr wart ja ein Teil davon.
Ude: Die Theorie kenn ich. Es mag dem Dosb gelegen kommen, dass es dann keine Sommerspielekonkurrenzen gibt. Aber das ist ja nicht der Grund, warum die Wintersportverbände seit Jahren hinter den Winterspielen her sind wie der Teufel hinter der armen Seele.
Wowereit: Die Frage ist, ob ihr sie bekommt. Das werden wir 2011, wenn endgültig entschieden wird, ja sehen.
Ude: Du trägst es also mit Würde.
Wowereit: Na ja, durch die Olympischen Spiele hätte Berlin ein fokussierendes Thema gehabt. Über Jahre hätten wir auf dieses Ziel hinarbeiten können. So etwas wirkt identitätsstiftend.
Ude: Und wir dagegen wären die erste Stadt, die Sommer- und Winterspiele ausrichten darf. Das würde uns schon ganz besonders aufwerten. Unser Motto für die anstehende 850-Jahr-Feier – Brücken bauen – würde auch für die Spiele gelten. Wir wollen uns der Welt als solidarische Stadtgesellschaft präsentieren. In München wäre auch ein reichhaltiges kulturelles Programm möglich, das es bei anderen Mitbewerbern so nicht gäbe. Unsere Spiele sollten kein kommerzielles, sondern ein kulturelles Gesicht haben.
STANDARD: Lassen wir einmal Olympia beiseite – welche weiteren Wünsche hätten Sie für Ihre Städte, wenn mehr Geld zur Verfügung stünde?
Wowereit:
Ude: Ich wünschte mir, mehr Areale aus dem kommerziellen Verwertungsdruck herausnehmen zu können, damit sich da Künstler und Studenten ansiedeln können bei günstigen Mieten. So wie es das zu meiner Jugend in den Sechzigerjahren hier gegeben hat. Der heutige Mangel ist die Kehrseite unseres Erfolgs.
Verkehr
STANDARD:Verkehr in der Innenstadt: Wie wollen Sie das Problem lösen? Kommt die City-Maut?
Ude: Eine Maut ist nur sinnvoll in Orten wie London, wo der Verkehr total zusammenbrach. Die Maut würde die Münchner Innenstadt für große Publikumsteile unattraktiver machen und den Einkaufszentren draußen auf der grünen Wiese in die Hände spielen. Das wäre ein Nackenschlag für die Innenstädte. Das wird es mit mir nicht geben.
Wowereit: Die Verkehrssituation bei euch möchte ich bei uns nicht haben. In München haben Familien ja im Schnitt drei Autos. Bei uns ist eine Maut nicht notwendig.
Ude: Hättest du eine ähnlich gute Arbeitsmarktsituation wie wir, dann hättest du auch so viele Staus. Diese Probleme kommen eines Tages vielleicht auch auf dich zu.
STANDARD: Auch was das Angebot an Kinderbetreuung und den Wohnungsmarkt betrifft, blicken manche Münchner mit Neid nach Berlin.
Ude: Unsere Situation hier ist tatsächlich immer noch unbefriedigend. Doch Krippenplätze sind und waren in meiner ganzen Amtszeit ein Investitionsschwerpunkt. Wir haben fast so viele Krippenplätze wie das restliche Bayern zusammen, aber eben noch nicht genug.
Wowereit: Stimmt es, dass man sich in München schon um einen Krippenplatz kümmern muss, bevor man überhaupt daran denkt, ein Kind zu zeugen?
Ude: Aufgrund des erfreulichen Geburtenüberschusses in München und der vielen Jobs für Frauen hier haben wir eine steigende Nachfrage, sodass wir mit dem Ausbau kaum mehr hinterherkommen. Zur Entspannung des Wohnungsmarkts haben wir das größte kommunale Wohnungsprogramm aufgelegt, das es derzeit in Deutschland gibt, mit einem Volumen von 625 Millionen Euro.
Wowereit: Bei uns ist es genau umgekehrt. Wir hätten locker Platz für Hunderttausende, ohne dass das zu infrastrukturellen Problemen führen würde. Es stehen 150.000 Wohnungen leer. Das ist aber auch eine Chance: Berlin hat großes Wachstumspotenzial.
Ude: Sprunghaftes Bevölkerungswachstum wäre bei uns problematisch. Wir wollen ja keine Trabantenstädte in den Grüngürtel setzen. Die Vorzüge Münchens haben mit der bescheidenen Größe zu tun: viel Grün, Seen, Natur im Umland. Das zu zersiedeln würde bedeuten, dass wir an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen. Ich sehe uns vor einer anderen Aufgabe stehen: Wir müssen noch stärker als bisher Wachstumsbranchen wie die Zukunftstechnologien dazu bringen, sich bei uns anzusiedeln, um die Verluste an Arbeitsplätzen der alten Industrien auszugleichen. Uns geht es nicht so sehr um Quantität, sondern um Lebensqualität.
STANDARD: Dazu gehört zum Beispiel die Renaturierung der Isar. Von solchen Schönheitsmaßnahmen können Städte wie Berlin nur träumen, oder?
Wowereit: Die Spree ist in Ordnung, die braucht nicht renaturiert zu werden ...
Ude: Na ja, reinspringen würde ich nicht.
Wowereit: Natürlich hat man zum Wasser in Berlin nicht so einen freien Zugang. Da wurde in der Vergangenheit viel von der Industrie zugebaut. Bei uns muss man sich das Wasser kreativ erobern. So haben wir jetzt Strände aufgeschüttet entlang des Flusses.
Ude: Ich finde die Spree dennoch einen der großen Vorzüge Berlins. Ein Fluss, der an seinen Ufern tolle Spaziergehmöglichkeiten bietet mit viel Baumbestand, und der vor allem befahrbar ist. Bei uns ist ja nur ein bisserl Floßfahren im Sommer möglich.
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