Auf dem Tisch liegt die U-Bahn-Zeitung mit der Schlagzeile "Wiener El Kaida – Vierte Festnahme", daneben ein abgegriffener Langenscheidt Persisch-Deutsch - unsere Gastgeber sprechen Dari, das dem im Iran gesprochenen Farsi ähnelt. Der Fernseher zeigt ein Konzert des usbekischen Popstars Manija Dawlatova, aufgenommen bei ihrem Auftritt im nordafghanischen Mazar-e-Sharif im Jahr 2006.

Foto: Paul Sturm

"Terrorismus? Ja, es gibt viele Attentäter in Afghanistan, jeden Tag sprengt sich jemand in die Luft. Ich weiß nicht, warum die in mein Land kommen und Probleme machen", sagt Bakavoli Mohammadi Hossein, der sein Geburtsland schon seit zwanzig Jahren nicht mehr besucht hat. Vor sieben Jahren kam er aus dem Iran nach Europa – erst nach Norwegen und Schweden, dann nach Österreich, weil seine Frau hier Asyl bekommen hat. In Dänemark war er in einem winzigen Dorf gelandet: "Auf der Straße nur alte Frauen mit Hunden, und niemand hat sich gegrüßt." Was die Höflichkeit im öffentlichen Raum betrifft, war er von seiner ersten österreichischen Station, Neulengbach in Niederösterreich, hingegen positiv überrascht: "Österreich ist besser als viele Länder in Europa. Die Leute reden mit dir."

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Den Club "Maulana" – benannt nach einem im heutigen Afghanistan wirkenden sufistischen Dichter des 13. Jahrhunderts – habe er vor drei Monaten gegründet, um Landsleuten bei Alltagsproblemen zur Seite zu stehen, erzählt Ahmad Noruzi. So bietet der Verein Hilfe bei Wohnungs- und Jobsuche, jeden Samstag kann man sich zum Diskontpreis die Haare schneiden lassen. Wenn es seine Zeit erlaubt, will Hossein auch Kung-Fu-Kurse anbieten.

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Kürzlich hat der Verein zwei nagelneue Billardtische ersteigert. Ein Spiel kostet tagsüber einen Euro, abends wird es teurer. Besonders beliebt ist auch das afghanische Kartenspiel Fiskot. Dazu werden kühle Getränke gereicht: Vier Sorten Bier (davon eine alkoholfreie) ab 1,50 Euro, Cola, Fanta und mehr. Die Vereinsgäste bevorzugen Österreichisches: Red Bull ist der Mega-Seller im Keller.

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Hossein erzählt, dass viele AfghanInnen ein neues Leben im Westen suchen: nach jahrzehntelangen Kriegen (zuerst die Sowjet-Besatzung, jetzt die ISAF) ist die Wirtschaft des Landes zerstört. Das Nachbarland Iran, woher bisher viele flüchteten, hat die Grenzen dichtgemacht.

Regelmäßig werden Immigranten ohne Aufenthaltsgenehmigung deportiert, wobei sich die iranische Polizei auf Männer konzentriert: Frauen und Kinder dürfen bleiben. Frauen seien in Afghanistan nächtens zwar kaum in Lokalen anzutreffen, hier im Keller hingegen schon: "Wir sind da offener", lächelt Bakavoli Mohammadi Hossein. (Berthold Eder/Maria Sterkl, derStandard.at, 19.10.2007/Fotos: Paul Sturm)

Afghanischer Kultur- und Sportverein "Maulana", Dapontegasse 4, 1030 Wien.

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