Curtis Marean bei der Untersuchung eines Höhlenabschnitts im südafrikanischen Pinnacle Point. Forscher fanden hier Spuren von Schalentieren, Klingen und Ocker, der vermutlich für Gesichtsbemalungen verwendet wurde.

Foto: Nature/Don Johanson, Arizona State University
London – Dass es uns Menschen ans Meer und an den Strand zieht, ist nicht bloß ein rezentes Phänomen des Massentourismus. Ganz ähnlich ist es mit dem Verzehr von Meeresfrüchten. Auch diese Angewohnheit ist um einiges älter als die Wissenschaft dachte. Ein internationales Team von Paläoanthropologen rund um Curtis W. Marean von der Arizona State University konnte nun nämlich zeigen, dass frühe Vertreter des Homo sapiens an der Südspitze Afrikas bereits vor rund 165.000 Jahren – und damit 40.000 Jahre früher als bisher angenommen – vom Landesinneren an die Küste zogen. Um sich dort eben von den Früchten des Meeres zu ernähren, weil es um die Zeit auch im südlichen Afrika eher kühl geworden ist.

Die Belege für ihre Behauptungen fanden die Forscher in einer Höhle an der Südspitze Südafrikas. Ihre Funde legen aber auch nahe, dass noch andere Kapitel der modernen Menschwerdung neu geschrieben oder zumindest umdatiert werden müssen.

Übereinstimmung herrscht unter Paläoanthropologen, dass sich der Homa sapiens, also der moderne Mensch, vor 100.000 bis 200.000 Jahren in Afrika entwickelte. Weniger klar ist, wo genau in Afrika sich die moderne Menschwerdung vollzog. Auszugehen ist jedenfalls davon, dass vor 125.000 bis 195.000 Jahren eher frostige Bedingungen auf unserem Planeten herrschten, und es auch in Afrika nur wenige Orte gab, wo die ersten modernen Menschen überlebt haben könnten.

Geplante Suche

Einer davon war Pinnacle Point an der Südküste Südafrikas, wie Marean mit seinen Kollegen aus einschlägigen Daten errechnete. Und tatsächlich fanden die Forscher ebenda eine Höhle, die eine ganze Reihe von paläoanthropologischen Überraschungen barg. Benutzt wurde sie nämlich allem Anschein nach bereits vor 165.000 Jahren, was wiederum darauf hindeutet, dass die erste Küstenbesiedlung und damit die marine Erweiterung des Speiseplans früher passierte als gedacht.

Das Forscherteam fand in der Höhle aber auch noch Nachweise für die frühe Nutzung von Farbpigmenten und einfachen Speerklingen aus Stein. Das Herstellen von einfachen Werkzeugen und die Kommunikation über Symbole gilt wiederum als Schlüssel für die Evolution zum modernen Menschen.

Hatte man das Alter dieser Praktiken bislang auf rund 70.000 Jahre geschätzt, so legen die südafrikanischen Funde nun nahe, dass sich diese Entwicklung sehr viel früher vollzogen haben muss.

Entsprechend weitreichend sind die Schlüsse von Curtis Marean, die er aus den Einsichten über diese frühesten menschlichen Küstenbewohner zieht: "Es ist möglich, dass diese Population die Vorläufer-Population für alle modernen Menschen war." (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18. 10. 2007)