Standard-Ressortchefin Petra Stuiber, Anwalt Bürstmayr, Justizministerin Berger und Grünen-Vizechefin Glawischnig diskutierten, ob und wie das Fremdenrecht den Frauenhandel in Österreich begünstigt.
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Wien - "Ich muss mit diesem dicken, alten, betrunkenen Mann schlafen", sagt der Zollwächter. Vorerst verwirrt Anja Salomonowitz' Film den Zuschauer. Doch bald begreift er das Konzept von "Kurz davor ist es passiert"; und so auch das Problem: Frauenhandel.

Die Standard-Debatte am Montagabend über die Verbindung von Fremdenrecht und Frauenhandel begann im Wiener Gartenbaukino auf der Leinwand. Der Film zeigt den Alltag von Menschen, die mit den weiblichen Opfern irgendwie zu tun haben: der Zöllner, der Kellner im Bordell, die Hausfrau in der Provinz. Unvermittelt erzählen diese Leute dann die Geschichten der Frauen.

"Diese Geschichten passieren nicht schicksalhaft, sie sind strukturell bedingt", machte Regisseurin Salomonowitz anschließend selbst den harten Schnitt vom Kino zur Politik. Petra Stuiber, Chronik-Ressortleiterin des Standard, wollte von ihren Gästen wissen: Begünstigen Österreichs Gesetze Gewalt gegen Frauen?

Abhängige Frauen

Grünen-Vizechefin Eva Glawischnig lobte zunächst Salomonowitz, versuchte aber rasch der Rolle als Oppositionspolitikerin gerecht zu werden: Es sei "nicht vom Himmel gefallen, dass Asylwerberinnen nur als Prostituierte arbeiten können". Rechtsanwalt Georg Bürstmayr stimmte zu. Das heimische Fremdenrecht mache "den Frauen Unabhängigkeit schwer".

Justizministerin Maria Berger (SPÖ) startete zur Verteidigung der Gesetzeslage mit der lakonischen Bemerkung, sie habe "das große Los gezogen, die Bundesregierung zu vertreten" - zumindest im Publikum ein Lacherfolg. Gegen Frauenhandel sei "in Österreich noch vieles zu tun", räumte sie ein, aber weniger bei den Gesetzen, "sondern bei der Schulung und Sensibilisierung der Behörden".

Am Dienstag kündigte Berger darum einen konkreten Aktionsplan gegen Menschenhandel gemeinsam mit Außenministerin Ursula Plassnik an (mehr dazu hier). Das Problem sei, dass Opfer von Menschenhandel von den Behörden nicht also solche erkannt würden, hatte die Justizministerin schon auf dem Podium gesagt. "Diese Hintertür gibt es nicht mehr", antwortete sie auf eine Frage nach dem im Film vorkommenden "Tänzerinnenvisum" aus dem Publikum.

"Wo Nachfrage ist, werden neue Hintertüren geschaffen", antwortete Jurist Bürstmayr. Neben den direkten Profiteuren stünden, "polemisch gesagt, 50 Prozent der Bevölkerung hinter der Prostitution". Stuiber hakte nach: eine Lobby der Bordellbesitzer bis in Regierungskreise? "Eher ein augenzwinkernder Umgang mit Gesetzen", so Bürstmayr. (Lukas Kapeller/DER STANDARD, Printausgabe 17.10.2007)