Garantiert nicht an den Farbreglern des Photoshop gedreht bei diesem Bild. Mehr davon in der Ansichtssache.

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Weit haben Konstantin Hilbergs Grammeln ("Sauschlachten"), dicht gefolgt von Jakob Winterbergers schmerzender Wurst ("Wenn die Käsekrainer weh tut") längst Fidlers Fischversuche in der Postingstatistik hinter sich gelassen. Aber - wohl weil am längsten online und dank des etwas reißerischen Titels - nach Zugriffen führt der Kugelfisch auch nach einem Jahr "Schmeck's" kaum noch einholbar: "Harald Fidler gibt sich die Kugel".

Schon ein ganzes Jahr kulinarischer Dilettantismus unter "Schmeck's" und "Schmeck's unterwegs" auf derStandard.at, da könnten wir uns doch technisch ein bisschen weiterentwickeln und endlich auch eine Ansichtssache basteln wie die richtigen Ressorts und Channels auf derStandard.at. Und einen Blick zurück: Was tat der Fidler eigentlich in Tokio, bevor er sich wild entschlossen auf den armen, wehrlosen Kugelfisch stürzte? Er stand vor allem früh auf.

Im Frühtau zu Markte

Im Umgang mit Meerestieren sind Japaner bekanntlich nicht die zimperlichsten. Nicht ganz so rücksichtslos, aber auch ganz schön gemein verfahren sie mit Langnasen, die sich einbilden, sie wollen auf dem angeblich größten Fischmarkt der Welt eine der Thunfischauktionen miterleben. Da heißt es, den Schädel vom Kissen reißen, wenn dank brutalen Jetlags gerade die erste REM-Phase erreicht ist. Gähn. Die meisten Taxifahrer verstehen den Westler glücklicherweise auch, wenn er Zukidschi brummelt, antworten mit "Ah - Skidschi" und fahren zum Großmarkt Tsukidji, der für seinen gewaltigen Fischausstoß berühmt ist. Gar nicht lost in translation, Glück gehabt.

Was sich dort in den riesigen Hallen so türmt, hat Kollegin Gudrun Harrer schon einmal so gediegen beschrieben, dass ich sie jetzt einfach zitiere: "Da gibt es Muscheln von einer Größe, dass man nur hoffen kann, dass nicht gesunkene russische Atom-U-Boote etwas damit zu tun haben, gemütlich vor sich hin fürzelnde riesige Scheidenmuscheln, blubbernde Seeigel, pralle Seegurken, wabernde Aale, vieles, was ich nicht benennen konnte, Viecher mit und ohne Haxen, Panzer, Schalen." Genau. Eine leise Ahnung vermittelt ein Klick auf unsere erste Ansichtssache. Und Appetit, jedenfalls mir. Aber: Damit ich ein bisschen genauer lerne, was mir da Hunger macht, bitte ich um sachdienliche Hinweise, was wir da so vorgesetzt bekommen.

Sushi zum Frühstück

Praktischerweise haben sich ein paar nette Gastronomen gleich am Ein- beziehungsweise Ausgang des Fischmarkts angesiedelt, wo sie noch vor Sonnenaufgang die ersten Maki und Sashimi und Sushi schnitzen. Fischmarkt macht hungrig. Süppchen wäre vielleicht für den verwirrten Biorhythmus ganz vernünftig. Aber wer hat sich in diesem Essblog schon groß von Vernunft leiten lassen? Also das Rohfischmenü, das mittlere bitte. Oder nein, was da so neben mir über den Tresen kommt, spricht doch eher für das große.

Für die nächsten 30, 40, 50 Minuten geht's mir gleich noch einmal wie Gudrun Harrer: Häppchen um Häppchen arbeitet der nette Herr hinter der Budel an meinem Eiweißschock - aber benennen könnt' ich das Wenigste davon. Markanter Unterschied: Die Muscheln auf meinem Brett fürzeln nicht mehr. Sie kommen auch nicht gerade mit kaisekimäßiger Detailverliebtheit, aber eine der spannendsten Frühmahlzeiten meines verfressenen Lebens bescheren sie mir allemal. Das Maki mit Unmengen sattorangegelbem, schmelzendem Seeigelrogen zum Beispiel hab ich noch gut in Erinnerung.

Kobe als Kontrastprogramm

Nach soviel Fisch am frühen Morgen wäre vielleicht eine Misosuppe mittags das Gescheiteste, aber für solche Entspannungsübungen der Eingeweide fehlt mir diesmal die Zeit im fernen Osten. Was will hier unbedingt noch verkostet werden? Genau: Kobe Beef. Quasi eine Massage für den Magen.

Wagyu hatte ich noch im Hinterkopf für diese handgestreichelte Spezialität, bat B. vom japanischen Kulturinstitut in Wien um sachdienliche Hinweise und landete im obersten Stock - dem 52., stolze 200 Meter über dem Boden - des Shinjuku Sumitomo Wolkenkratzers mit doch ziemlich eindrucksvollem Ausblick, der über das ziemlich arge Interieur hinwegtröstet. Gewiss nicht der Geheimtipp in Sachen Streichelrind, aber eine verlässliche Größe, meinte B. Wahrscheinlich hatte sie das auch nur gegoogelt und war auf die "seit 1965"- und "seit 1974"-Hinweise gestoßen, auf Helmut Schröders Besuch dort und jene von Tom Cruise.

Shabu-Shabu, sagt der Fidler, und denkt an die vernünftige Suppe, weil man da Unmengen Gemüse und Pilze und dann das Rind ja eigenhändig durch heißes Wasser zieht. Mit ein bisschen sachkundiger Unterstützung geht das auch für einen dilettantischen Westeuropäer recht elegant von der Hand, die hauchdünnen, fein marmorierten Fleischlappen gerade solange einweichen, wie es dauert, um die Beschwörungsformel Shabu-Shabu zu murmeln, bis sie zart ergrauen, und dann auf der Zunge zergehen lassen. Yummy.

Vielleicht auch ein bisschen legendenmäßig überschätzt, würde ich mir nicht jeden Tag leisten - aber doch deutlich häufiger als den eher bissfesten, bis auf das zarte Prickeln auf der Zunge doch nicht allzu ausdrucksstarken Kugelfisch.