"Das Grundproblem ist, dass es keine Gemeinschaftskompetenz in Angelegenheiten des Hochschulzuganges und des Bildungssystems gibt", sagt Verfassungsjurist Bernhard-Christian Funk.

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Die Zugangsbeschränkungen in Österreich hängen mitunter davon ab, ob ein Fach in Deutschland dem Numerus Clausus unterworfen ist.

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Nach wie vor könne man fragen, woher der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Legitimation nimmt, zu entscheiden, dass das Medizin-Quotensystem nicht gemeinschaftsrechtskonform ist, sagt Bernhard-Christian Funk, Professor am Wiener Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, im Interview mit derStandard.at. Er erklärt auch, welche Folgen die neue Regierungsvorlage in Bezug auf die Zugangsbeschränkungen haben kann. Außerdem sprach Funk mit Katrin Burgstaller darüber, ob eine Quotenregelung auch für andere Fächer, etwa für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, denkbar wäre.

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derStandard: Es gibt eine neue Regierungsvorlage für das Universitätsgesetz 2002. In einem Zusatz heißt es, dass per Verordnung für weitere Studien - wenn durch die erhöhte Nachfrage ausländischer Staatsangehöriger die Studienbedingungen unvertretbar sind ? Zugangsbeschränkungen zulässig sind. Können jetzt für alle Studien beliebig Zugangsbeschränkungen eingeführt werden?

Funk: Nein. Die Möglichkeiten einer Beschränkung bleiben weiterhin auf Studien bezogen, die vom deutschen Numerus Clausus (NC) betroffen sind. Biologie und Pharmazie sollen nicht mehr ex lege den Zugangsbeschränkungen unterworfen sein. Für Betriebswirtschaft sowie für Publizistik und Kommunikationswissenschaften bleiben die Zugangsbeschränkungen aufrecht, kommen aber nicht zur Anwendung, wenn und weil es in Deutschland dafür keinen NC mehr gibt. Ein neuer Abs 7 in § 124b UG ermöglicht es, durch ministerielle Verordnung auch für andere Studien Beschränkungen einzuführen, wenn sie vom deutschen NC-System betroffen sind.

derStandard: Es gibt in Deutschland ja auch einige Studien, die nur in manchen Bundesländern einem NC unterliegen, zum Beispiel Rechtswissenschaften. Könnte es sein, dass diese Fächer, die eben nur in manchen Bundesländern dem NC unterliegen, auch in Österreich limitiert werden?

Funk: Die Regelung knüpft wie bisher an die bundesweiten NC-Studien an. Daran ändert die Novelle nichts.

derStandard: Aber wenn Deutschland zum Beispiel für das nächste Studienjahr einen bundesweiten NC für Rechtswissenschaften einführen würde, dann könnten theoretisch auch Zugangsbeschränkungen für die Rechtsstudien in Österreich verhängt werden?

Funk: Das ist richtig. Da könnte Österreich mit einer ministeriellen Verordnung nachziehen. Die Umsetzung der Beschränkungen obliegt jedoch den Universitäten.

derStandard.at: Wäre es denkbar, neben Medizin auch andere Fächer mit einer Quotenregelung zu versehen? In Publizistik- und Kommunikationswissenschaft haben wir etwa ebenfalls einen großen Anteil von StudienwerberInnen aus Deutschland.

Funk: Das ist eine weitere gravierende Problematik. Die maßgebende Bestimmung in Abs 5 des § 124b UG stellt auf den Schutz der Homogenität des Bildungssystems ab. Es geht um die Abwehr von "schwerwiegenden Homogenitätsstörungen" ? gemeint ist eine Verdrängung österreichischer MaturantInnen von den Studienmöglichkeiten an österreichischen Universitäten. Bei den Ärzten kommt zusätzlich eine mögliche Gefahr der medizinischen Unterversorgung der Bevölkerung ins Spiel. Bei der Publizistik dürfte diese Gefahr nicht gegeben sein. Ob die Quotenregelungen gemeinschaftsrechtsverträglich sind, ist angesichts der Rechtsprechung des EuGH und in Anbetracht eines möglicherweise bevorstehenden neuen Vertragsverletzungsverfahrens zweifelhaft.

derStandard.at Die Verlängerung der Zugangsbeschränkungen in Österreich endet mit 31. Dezember 2009. Könnte das Provisorium dann verlängert werden? Wir wird es dann weiter gehen?

Funk: Das ist schwer vorauszusagen, wird aber davon abhängen, ob es ein Vertragsverletzungsverfahren gibt und wie gegebenenfalls die Entscheidung des EuGH ausfällt.

derStandard.at: Wie könnte man die Zugangsfrage an den Universitäten vor dem Hintergrund des geltenden EU-Rechts lösen?

Funk: Denkbar wäre eine Regelung im Gemeinschaftsrecht, die die Grundlage für ein europäisches Hochschulzugangssystem sein könnte. Vorstellbar wäre auch eine Ermächtigung an die Mitgliedstaaten, Zulassungsbeschränkungen zum Schutz ihrer Bildungssysteme einzurichten.

Das Grundproblem ist, dass es keine Gemeinschaftskompetenz in Angelegenheiten des Hochschulzuganges und des Bildungssystems gibt. Es besteht seitens der EU keine Befugnis, durch Verordnungen und Richtlinien reglementierend einzugreifen. Es gibt Empfehlungen, es herrscht jedoch keine Rechtsverbindlichkeit. Nach wie vor kann man fragen, woher der EuGH die Legitimation nimmt, zu entscheiden, das Quotensystem sei nicht gemeinschaftsrechtskonform.

Der EuGH hat in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2005 zur alten Regelung, die an die Studienzulassung im Heimatstaat angeknüpft hat, eine indirekte Diskriminierung von EU-Ausländern durch österreichisches Studienzulassungsrecht gesehen. Auf dieser Basis dürfte ? bei aller Vorsicht mit solchen Prognosen ? in einem Vertragsverletzungsverfahren das gleiche Ergebnis zu erwarten sein. Die in Aussicht genommene Novelle zum § 124b UG ändert daran nichts. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 12. Oktober, 2007)