Zur Person

Joseph Strauss ist Leiter der Abteilung "Pilzgenetik und Pilzgenomik" bei den Austrian Research Centers und leitet auch die Arbeitsgruppe "Mikrobielle Genetik" am Institut für Angewandte Genetik und Zellbiologie der Universität für Bodenkultur in Wien.

Er bearbeitet verschiedene Projekte über die Physiologie und Analytik von Schimmelpilzen und wurde im Jahr 1999 für seine Arbeiten mit dem START Preis des FWF ausgezeichnet.

Die Arbeitsgruppe analysiert mit molekulargenetischen Methoden unter anderem die Rolle von Pilzen im Nährstoffzyklus der Natur, in der antifungalen Ausstattung von Werk- und Baustoffen, sowie bei der Verwendung von Pilzen in der Biotechnologie.

Foto: Joseph Strauss
"Schimmelpilze haben eine enorm wichtige ökologische Aufgabe", so der Leiter der Abteilung Pilzgenetik und Pilzgenomik bei den Austrian Research Centers, "diese besteht im Bereich Nährstoffrecycling in der freien Natur." In Bauwerken sorgen die genügsamen Pilze hingegen für beträchtliche Schäden und finden auch in Neubauten ideale Lebensräume. Die ideale Beseitigung ist meist aufwändig und hat wenig mit Fungiziden zu tun.

derStandard.at: Welche gesundheitliche Relevanz haben Schimmelpilze?

Strauss: Das weitaus gefährlichste ist die allergieauslösende Wirkung. Die Auslösung von Asthma wird im Wesentlichen durch Schimmelpilze hervorgerufen, mehr als durch Gräserpollen oder Tierhaare. Diese Sporen kommen in der Atemluft vor.

Die zweite Möglichkeit der Gesundheitsgefährdung entsteht durch verschimmelte Lebensmittel. Da werden Toxine aufgenommen, die direkt in den Metabolismus eingreifen. Das ist wie Fliegenpilzessen. Über einen längeren Zeitraum aufgenommen, können neurotoxische Wirkungen auftreten.

Der dritte gefährdende Punkt ist die Pilzinfektion, wie zum Beispiel der Hautpilz, die Candidose. Schimmelpilzsporen können aber auch inhaliert werden und zu Infektionen führen. Wenn Menschen zum Beispiel in einer mit Schimmelpilzsporen belasteten Umgebung leben oder arbeiten und damit ständig in Kontakt sind, ist es nicht nur so, dass sie Allergien und Asthma auslösen können, sondern es kann auch zu einer Pilzinfektion kommen. Besonders bei einem geschwächten Immunsystem, im Alter, bei Kleinkindern, Allergikern oder Menschen, die bereits immunsupressiv behandelt werden.

derStandard.at: Wo treten im Wohnbereich Ihrer Erfahrung nach Schimmelpilze am häufigsten auf?

Strauss: Schimmelpilze treten in Bauten meistens bei Bauschäden oder Baumängel auf oder bei Neubauten, die nicht genügend ausgetrocknet sind. Eine Untersuchung aus Deutschland hat gezeigt, dass 46 Prozent der Schimmelschäden durch Bauschäden verursacht werden. Die zweitgrößte Gruppe ist die der direkten Wasserschäden. Das sind 20 Prozent. Und erst an dritter Stelle kommt falsches Lüftungsverhalten.

derStandard.at: Welche Anzeichen geben einen Hinweis auf Schimmel in den Wohnräumen?

Strauss: Leider sieht man die Schimmelpilze häufig nicht. Man merkt es erst wenn zu Hause die Nase zu rinnen und die Augen zu tränen beginnen. Oder ohne medizinisch manifeste Symptome einfach durch ein Unwohlsein. Dieses typische "Sickbuilding Syndrom", das heißt man geht in den Raum und fühlt sich unwohl.

derStandard.at: Wo ist der ideale Lebensraum der Schimmelpilze, wo kann ich suchen?

Strauss: Wenn ein Schimmelpilz sichtbar wird, dann ist das meistens die berühmte Spitze des Eisberges. Das ist häufig dort der Fall wo eine schlechte Be- oder Hinterlüftung besteht. Wie zum Beispiel hinter Einbauschränken oder Einbauküchen. Oder da, wo das Mauerwerk in Kontakt mit dem Außenbereich steht, wie Fensterlaibungen. Und natürlich Sanitärräume, wo permanent Feuchtigkeit entsteht. Das sind die Hot Spots für Schimmelpilzenstehung.

derStandard.at: Sind Neubauten weniger anfällig für Pilzbefall als Altbauten?

Strauss: Auch bei Neubauten, wo die Fenster sehr gut schließen, sind Schimmelpilze ein großes Thema, da die Bauzeiten so kurz wie möglich gehalten werden damit die Menschen so schnell wie möglich einziehen können. Die Gemäuer werden nicht richtig ausgetrocknet. Diese vorhandene Restbaufeuchte führt, wenn nicht anständig weggelüftet wird, zu Schimmelschäden.

derStandard.at: Was tun, wenn das der Fall ist?

Strauss: Ist man gesundheitlich beeinträchtig, wie zum Beispiel durch Allergien, führt der erste Weg zum Hausarzt. Der zweite Weg führt zur Hausverwaltung, die von der Problematik informiert wird. Diese wird einen Sachverständigen vorbeischicken. Der stellt als erstes wahrscheinlich fest: Sie lüften nicht richtig. Das heißt der Schwarze Peter wird versucht dem Mieter zuzuschieben. Der Großteil der Schäden wird nämlich bekanntermaßen durch Bauschäden hervorgerufen. Das heißt, es macht Sinn hartnäckig zu bleiben. Und dann wird hoffentlich saniert und die Ursache beseitigt.

derStandard.at: Sind Anstriche mit Fungiziden nicht genauso problematisch, wie eine Sporenbelastung?

Strauss: Fungizide sind natürlich eine sehr umstrittene Angelegenheit. Es muss saniert werden. Das Mauerwerk muss befreit werden. Der Putz abgeklopft und imprägniert werden. Das ist schon ziemlich aufwändig. Im Mauerwerk geht das noch. Schlimmer ist es oft in Böden. Diese Schäden bleiben oft lange unbemerkt. Die Sporen kommen beim Gehen durch die Ritzen. Wird der Schaden entdeckt, muss der Boden herausgerissen werden. Einen guten Leitfaden für die Vorgangsweise bietet die Umweltberatung.

derStandard.at: Schimmel in den Böden, wie kann dieser entdeckt werden?

Strauss: Wenn man die Vermutung hat, macht es Sinn einen Schimmelpilztest durchzuführen. Dieser stellt fest, ob Sie in ihrer unmittelbaren Umgebung eine höhere Belastung haben als die zur Zeit bestehende Außenbelastung. Die Außenluftkontrolle ist ein wichtiger Punkt, da je nach Jahreszeit unterschiedlich viele und verschiedene Pilzsporen herumfliegen.

derStandard.at: Was kann der Test feststellen?

Strauss: Das Testergebnis liefert zwei Werte. Die erste Zahl gibt die Anzahl der Sporen an. Ist diese wesentlich höher als die Anzahl, die gleichzeitig in der Außenluft gemessen wurde, ist das ein Hinweis. Der zweite Wert ist der Biodiversitätsindex. Ist dieser niedrig, hat man wenige Arten, wie zum Beispiel ein bis zwei dominierende Pilzarten. Wenn das der Fall ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit einer Schimmelsporenbelastung in der Umgebungsluft sehr hoch.

derStandard.at: Schimmelpilze haben auch eine hohe Relevanz für Hausstaubmilben-Allergiker, warum?

Strauss: Die Nahrung der Hausstaubmilbe besteht aus unseren Hautschuppen, die sie aber nicht verdauen kann. Die Vorverdauung erfolgt deshalb extrakorporal mit Hilfe von Schimmelpilzen. Diese haben spezielle Verdauungsenzyme, die den Abbau der Hautschuppen ermöglichen. Sind sie "vorzersetzt", kann die Hausstaubmilbe den Brei aufnehmen.

Das heißt: Für das Wachstum von Hausstaubmilben sind Schimmelpilze entscheidend, da sie in Symbiose leben. (Andrea Niemann, derStandard.at, 09.10.2007)