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Foto: REUTERS/HO/Forschungszentrum Juelich

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Im April erhielten Peter Grünberg (oben) und Albert Fert bereits den Japan-Preis. Nun folgt der krönende Nobelpreis.

Foto: AP/Michel Euler

Dass heute auf Festplatten so viel Platz ist, verdankt sich dem GMR-Effekt. Dafür gibt es '07 die Nobel-Medaille.

Collage: DER STANDARD/Kohlhuber
Der Franzose Albert Fert und der Deutsche Peter Grünberg entdeckten 1988 unabhängig voneinander den Riesenmagnetowiderstand. Praktisch umgesetzt findet sich der Effekt in jedem Computer. Das trug den beiden gestern den Physiknobelpreis 2007 ein.

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Stockholm - Soll noch einer sagen, dass die mit Nobelpreisen ausgezeichnete Grundlagenforschung nichts mit unserem Alltag zu tun habe. Die diesjährigen Physik-Nobelpreisträger - der Franzose Albert Fert (69, Université Paris-Sud in Orsay) und der Deutsche Peter Grünberg (68, Forschungszentrum Jülich) - haben1988 unabhängig voneinander einen Effekt entdeckt, der heute in den meisten Computern und MP3-Playern Verwendung findet.

Daten auf einer Festplatte werden mit Hilfe eines Magnetkopfs geschrieben und wieder abgelesen. Die Information liegt in Form von mikroskopisch kleinen Feldern mit verschiedenen Magnetisierungsrichtungen vor. Will man mehr Daten auf eine Festplatte packen, muss das Volumen der einzelnen magnetischen Schalter pro Bit verkleinert werden. Doch dadurch wird deren magnetisches Feld sehr klein, was das Ablesen der Daten erschwert.

Hier nun kam die Entdeckung der beiden Festkörperphysiker ins Spiel: der Riesenmagnetowiderstand (Giant Magneto Resistance, GMR). Dieser (Quanten-)Effekt beruht nämlich darauf, dass in einem solchen System äußerst schwache magnetische Veränderungen sehr große Veränderungen des elektrischen Widerstands erzeugen können. Und "ein solches System ist genau das, was gebraucht wird, um die Daten aus Festplatten auszulesen", so das Nobelpreis-Komitee in seiner Entscheidungsbegründung.

Kleinste Technik ...

Möglich wurde die Entdeckung des Effekts durch neue (Nano-)Technologien, die in den 1970er-Jahren entwickelt worden waren: Damals gelang es erstmals, nur wenige Atomlagen umfassende Schichten aus verschiedenen Materialien herzustellen.

Der GMR tritt nämlich dann auf, wenn mindestens zwei ferromagnetische Schichten wie Kobalt oder Eisen durch eine hauchdünne, nicht ferromagnetische Zwischenschicht etwa aus Chrom oder Kupfer getrennt sind. Die GMR kann entsprechend auch als "eine der ersten großen Anwendungen der Nanotechnologie" gesehen werden, wie das Nobel-Komitee meinte.

Dem deutschen Physiker Grünberg war damals noch schneller als seinem französischen Kollegen klar, etwas Großes entdeckt zu haben, das sich auch praktisch umsetzen ließ. Das Forschungszentrum Jülich, an dem er bis heute forscht, ließ die Entdeckung ihres Mitarbeiter 1988 sofort patentieren.

Denn durch den GMR-Effekt wurde es möglich, Daten auf engstem Raum in winzigen Bereichen unterschiedlicher Magnetisierung zu speichern. Ein Sensor, der den GMR-Effekt nutzt, registriert diese kleinen Unterschiede als große messbare Änderung und kann daher auch bei Raumtemperatur hochempfindlich arbeiten. Die praktischen Vorteile dieses Prinzips, das theoretisch damals noch gar nicht recht verstanden war, blieben auch der Industrie nicht verborgen.

... riesige Umsätze

1997 schloss IBM ein Lizenzabkommen mit dem Forschungszentrum Jülich. Dieses konnte dadurch bisher Lizenzeinnahmen im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich lukrieren. 1997 kam auch schon der erste GMR-Lesekopf für Computerfestplatten auf den Markt. Der Gesamtumsatz, der inzwischen mit Erkenntnissen von Fert und Grünberg gemacht wird, wird auf 100 Milliarden Euro geschätzt.

Zumindest Grünberg, der gebürtiger Tscheche ist, war von der Zuerkennung des Nobelpreises nicht sonderlich überrascht. "Weil ich schon viele Preise bekommen habe, wurde ich oft gefragt: ,Wann kommt denn nun der große Endpreis?'", sagte Grünberg am Dienstag bei einer Pressekonferenz im Forschungszentrum Jülich.

Grünberg hatte für seine Entdeckung unter anderem bereits 1998 den Deutschen Zukunftspreis, 2006 den Erfinderpreis der Europäischen Kommission sowie die Stern-Gerlach-Medaille der Deutschen Physikalischen Gesellschaft erhalten.

Erst Anfang dieses Jahres wurden Grünberg und Fert mit dem renommierten, mit 50 Millionen Yen (325.000 Euro) dotierten "Japan-Preis" in der Kategorie "Von Grundlagenforschung inspirierte Innovationen" ausgezeichnet. Im Mai erhielten die beiden dann den renommierten, mit 100.000 Euro dotierten israelischen Wolf Prize.

Als Peter Grünberg gestern den Anruf aus Stockholm erhielt, ist er - nicht ganz zufällig - in seinem Büro gewesen: "Weil man ja weiß, dass der Anruf aus Stockholm gewöhnlich um 11:30 Uhr kommt", fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 10.10.2008)