Foto: Sony BMG
Seit 17 Jahren kennt man den heute 42jährigen Eddie Vedder - als Songschreiber, Gitarrist und Frontman der US-Rocker Pearl Jam. Aufgewachsen als Scheidungskind (unter dem Namen Edward Louis Seversen III., den er später gegen den Mädchennamen seiner Mutter, Vedder, eintauschte) und pendelnd zwischen Chicago und San Diego, verwirklichte sich der junge Eddie in der Musik und im Surfen. Eddies Band Pearl Jam startete mit der Veröffentlichung des Albums "Ten" Anfang der 90er eher verhalten. Dank des durch Nirvanas "Nevermind" ausgelösten Grunge Hypes startete damals auch "Ten" durch – und wurde zum meistverkauften Grunge Album aller Zeiten. Mehr als 60 Millionen verkaufter Alben später wagt der vielleicht meistkopierte Sänger der Gegenwart sein erstes Soloalbum, auf Anregung eines alten Freundes. US-Schauspieler und Bush-Kritiker Sean Penn lud für "Into the Wild" ein weiteres Mal zur Zusammenarbeit. Musiker und Schauspieler hatten bereits in der Vergangenheit das Vergnügen miteinander: Vedders "Long Road" (gemeinsam mit Nusrat Fateh Ali Khan) und der Titelsong "Dead Man Walking" (1995) für Penns gleichnamigen Film werden manchen noch ebenso in Erinnerung sein wie das Cover des Beatles Klassikers "You've got to hide your love away" für "I am Sam" (2001).

Allein nach Alaska

Nun also ein beinahe kompletter Vedder-Soundtrack als Solodebüt (Ausnahmen sind Gordon Petersons "Hard Sun" und "Society" von Jerry Haman) – für ein nicht eben ungefährliches Unterfangen. Kein geringerer als Jon Krakauer liefert mit dem 1996 veröffentlichtem Tatsachenbericht und Bestseller "Into The Wild" die Vorlage für Sean Penns filmisches Werk. "In die Wildnis - Allein nach Alaska", erzählt die Geschichte des jungen Studenten Christopher Mc Candless. Der tauscht seine gesicherte Mittelklasse-Existenz gegen ein Leben abseits der Zivilisation und bezahlt sein Abenteuer schlussendlich mit dem Leben. 120 Tage nachdem er in die Wildnis gezogen war, entdecken Elchjäger zufällig die Leiche des 24 jährigen Aussteigers. In den USA kam der Film im September dieses Jahres in die Kinos, in Österreich wird man sich noch bis Ende Februar 2008 gedulden müssen.

Fernweh in Ton und Bild

Hält man das Album erst einmal in der Hand, so lässt zunächst dessen Gestaltung Nostalgie aufkommen. Erinnerungen an frühere Vinylproduktionen werden wach: Kein Kunststoff trübt das haptische Vergnügen, atmosphärische, dem Film entnommene Bilder, lassen schon beim Anblick Fernweh aufkommen. Verantwortlich dafür zeichnen u.a. Brad Klausen und ein gewisser Jerome Turner - besser bekannt als Eddie Vedder. Das Foto des Back-Covers steuert Anton Corbijns bei – er hat die Kamera unverkennbar schon für die Stones, Springsteen, U2 und andere Größen der Rockszene in die Hand genommen.

"Setting Forth" macht den musikalischen, beinahe rockigen Auftakt. Hier lässt sich - wenn jemand unbedingt will – auch noch eine Verbindung zu Pearl Jam herstellen - oder der Aufbruch des Helden in ein neues Leben erahnen. Dann wird eingetaucht in die Wildnis und in den tragischen Filmstoff: "No Ceiling" verbreitet melancholischere Grundstimmung. Die "Weite der Wildnis" nimmt unbestreitbar Raum ein. Bei "Far Behind" wird noch einmal das Gaspedal getreten, ohne je die Geschwindigkeit der Pearl Jam Songs zu erreichen. Spätestens ab "Rise" ist klar, dass Vedder keine Lust hat, sich an seiner Band zu orientieren. Nur von einer Ukulele (kleines gitarrenähnliches Zupfinstrument) begleitet, trägt seine Stimme den Song. Die Unwägsamkeiten der Natur hört, wer sie erlebt hat und hören will.

Melancholie ohne Kitsch

"Long Nights" versinkt endgültig in trauriger, melancholischer Stimmung: Spärliche Instrumentierung verschaffen Songwriter und Sänger Eddie Vedder viel Raum um seine Talente auszuspielen. Der akutische Trak "Tuolumne" erinnert - spät aber doch - dass es sich hier um einen Soundtrack handelt, auf einem als Soloalbum konzipiertem Tonträger hätte das schmucke Stück wohl keine Berechtigung. Und "Hard Sun", die erste Singleauskoppelung - ein Duett mit Corin Tucker (Ex-Sleater Kinney) – könnte sich zum Ohrwurm entwickeln. Wie auch die folgenden Songs, denn in der Tonart geht es dann weiter: "Society", eine wunderschöne, zerbrechliche Ballade, zart gesponnen und getragen von Akustikgitarre und den darübergespannten Klangbögen und "The Wolf2 in der der Sänger - begleitet von einer Orgel - den Mond anheult. "End Of The Road" und "Guaranteed" - schließen dort an wo "The Wolf" eine Fermate einschiebt. "Guaranteed" ist der einzige Song der mit sieben Minuten die üblichen zweiminütigen Stücke deutlich überschreitet.

Fazit: Insgesamt ein stimmiges, kompaktes Album, das die literarische Vorlage keine Sekunde aus den Augen verliert. Ein Muss für Pearl Jam Fans, aber auch im Singer/Songwriter Umfeld könnte Eddie Vedder erfolgreich nach neuen Fans angeln. (mareb)