Al Djazeera am Großbildschirm. Über den Screen flimmert jedoch nicht das aktuelle Bin Laden-Video, sondern Frauenfußball. Ghana spielt gegen Australien, oder genauer Ghanesinnen gegen Australierinnen.

foto: paul sturm

Im Lokal sitzen dann unter den mehrheitlichen Männern auch jede Menge weibliche Personen. Junge Mädchen, die Shisha (arabische Wasserpfeife) rauchen und dazu Fanta trinken. Komatrink-Gelegenheit gibt es auf Grund des Alkoholverbots nicht.

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Hinter dem Vorhang im dunklen Bereich das gleiche Bild: Jugendliche der zweiten oder dritten Generation bandeln per Pfeifenaustausch an. Die Geschmäcker im Angebot: Kirsche, Apfel, Cappucino. Pfefferminz oder Zuckermelone. Kostenpunkt: Zwei bis drei Euro das Stück. Paris Hilton ist auch da, zumindest sieht sie so aus.

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"Wir werden Österreich säubern", verlautbart Monther Abdel Hadi Ahmad Al Khaldi - kurz "Ali" - der 33-jährige Vereinsobmann, der seit zehn Jahren in Wien lebt und aus Jordanien kommt.

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Er meint mit dieser Ansage aber keine Säuberung von Andersgläubigen, sondern von alten Autos. Bei der Verschiffung von schrottreifen Ösi-Karren in den Nahen Osten wittert der Ex-Taxler die große Kohle und will demnächst selber in das Geschäft einsteigen. Die Visitenkarte hat er schon: "Wenn Sie ihr Fahrzeug jetzt oder später verkaufen möchten, rufen Sie uns." Rote und weiße Autos sind aber eher schlecht, weil die nur mehr schwierig auf Hochglanz gebracht werden können.

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Den Verein, der zu Deutsch "Wüste" heißt, hat er bereits vor sieben Jahren von seinem Vorgänger übernommen. Mit übernommen hat er einen Haufen Schulden. Deshalb sei im Moment noch alles ein wenig chaotisch. Im kommenden Sommer sollen aber wieder Bauchtanzkurse angeboten werden, die auch bei Österreichern sehr beliebt sind. Die Mitgliedschaft im Verein ist gratis, die Mitglieder kommen aus den verschiedensten Ländern wie Indonesien, Ägypten, Libanon, Jordanien, rund 20 Österreicher seien auch dabei.

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Ali selbst sieht sich als Österreicher, seit zwei Jahren hat er die Staatsbürgerschaft. "Hier ist alles lockerer." Auch seine Frau, mit der er eine Tochter hat, ist Österreicherin. Sie trägt kein Kopftuch, seine Mutter und Schwester aber schon noch. "Ich bin eigentlich kein echter Jordanier, sondern komme aus Palästina", fügt er hinzu. Im Vereinslokal hängen auch zwei Palästinenser-Fahnen und ein Bild des Felsendoms in Jerusalem.

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Ziel des Vereins sei es, "die arabische Kultur über Musik zu erklären". Regelmäßige Konzerte sind geplant. Es gibt aber auch andere Aktivitäten, wie einen Gruppenausflug nach Zell am See. In Ramadan-Zeiten treffen sich die Vereinsmitglieder – Frauen sind "selbstverständlich" auch dabei - nach dem Fasten, um gemeinsam Abend zu essen. Die Speisen sind für die Mitglieder gratis. "Hier in Österreich gibt es keine größere Wohnung", also treffen sie sich im Verein und essen gemeinsam. Danach wird geraucht.

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Ali hat seine "Privat-Shisha". Die Pfeife ist 15 Jahre alt und wurde von einem befreundeten Möbeltischler per Hand gefertigt. Sie funktioniert noch immer prächtig. Mit Shisha-Rauchen macht der Verein auch den meisten Umsatz. In der Nähe des Naschmarktes mangelt es nicht an Laufkundschaft. Probleme mit den Anrainern oder der Polizei hat es bisher kaum gegeben. Nur eine Party sei zu laut gewesen, und ein Polizeibeamter wollte einmal wissen, was denn da geraucht wird. Von den aktuellen Rauchverbots-Plänen der Gesundheitsministerin hält er genau nichts, aber Vereinslokale seien schließlich eh nicht betroffen.

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An der Bar kann man sich einen Ramadan-Kalender holen, der Tag für Tag auf die Minute genau die Zeiten für die fünf Gebete und damit auch Anfang und Ende der Fastenzeit erklärt. 60 Prozent der Vereinsmitglieder, schätzt Ali, befolgen das Fastengebot, Das Vereinslokal ist auch zu dieser Zeit geöffnet. Ob es ihn stört, wenn er als Kettenraucher auf Zigaretten verzichten muss, während rund um ihn Wasserpfeifen geraucht werden? "Schon, aber das muss ich aushalten." Außerdem ist der Ramadan für Muslime "so was wie Weihnachten", erzählt er: am Abend trifft man sich zum gemeinsamen Essen, und "wenn man den ganzen Tag darauf verzichtet hat, schmecken die Zigaretten erst so richtig".

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"Waren Sie schon einmal in einer Moschee?" mit dieser Gegenfrage antwortet Ali auf die Frage, was er von der aktuellen politischen Diskussion um ein Verbot von Moscheen-Bauten hält. Er versteht nicht, wieso es in einer Demokratie wie in Österreich nicht möglich sein sollte, weitere zu bauen. "Die tun nur beten." Er selbst geht zwei bis drei Mal im Monat in unterschiedliche Gebetshäuser in Wien.

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Was er von Terroristen hält, die im Namen des Islam Anschläge verüben? "Das sind keine Moslems, der Koran sagt nicht, dass man andere töten soll." In Österreich hat Ali noch keine Erfahrung damit gemacht, dass er als Anhänger des Islam als Terrorist bezeichnet wurde, sein Bruder in England jedoch schon. Auch nach den Verhaftungen in Österreich glaubt er nicht, dass es hier eine wirkliche Terrorszene gibt: "Ich bin seit zehn Jahren hier und habe nix bemerkt. Jeder hat hier was zu tun und gar keine Zeit für solche Sachen." Grundsätzlich hat er genug von dem Thema: "Ich will keine Nachrichten vom Irak und Palästina hören." Er stellt sich jedenfalls die Frage, warum Bin Laden früher für die CIA gearbeitet hat und heute von den USA als der größte Terrorist bezeichnet wird. (Berthold Eder/Maria Sterkl/Rainer Schüller, derStandard.at, 19.10.2007/Fotos: Paul Sturm)

"Al Badyeh" Verein zur Förderung der Arabischen Musik und Kultur, Linke Wienzeile, 6. Bezirk.

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