Ödön von Horváths Stücke, jahrelang von den Bühnen der DDR mit Abstinenz bedacht, erlebten plötzlich so etwas wie eine „Renaissance“. Zugleich aber gingen mit diesen Versuchen Missverständnisse und Unsicherheiten im Umgang mit den „bösen“ Komödien dieses Dichters einher; ein oftmals unbewältigter Balanceakt zwischen Sympathie und Antipathie der Figuren, ihrer Beziehungen zueinander und vieles mehr. Horváth liebt die Menschen, und die, die er in seinen Stücken als ein Geschmeiß sieht, will er dennoch nicht ganz preisgeben; er verfremdet Wiener Gemütlichkeit, Heurigenseligkeit, kehrt die Süße des Wiener Walzers in entlarvende Bitternis. Unter den Klängen im Dreivierteltakt gehen sich die Figuren seiner Stücke gegenseitig an die Gurgel. Es sind Kleinbürger in ihrem Streben nach oben, nach Reputierlichkeit und „sauberer Schürze“, immer in der Furcht, in soziale Abgründe zu fallen, als Versager, Verachtete, Deklassierte zu enden.

 

Ihre groteske Wirkung resultiert aus dem Widerspruch, was sie vorgeben zu sein und zu erstreben, und dem, was sie tatsächlich tun und bewirken. Und bei dem Ergebnis bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Angeknackte Biederkeit, Anmaßung sind als „normal“ zu spielen; der Zerrspiegel ihrer Persönlichkeiten ergibt sich durch die Brüche im Verhalten der Menschen, im Umgang miteinander. Über das Kernproblem der Horváth-Dramatik hat sich sein Bewunderer, der westdeutsche Dramatiker Franz Xaver Kroetz, wie folgt geäußert: „Dieser Punkt hat mich von Anfang an an Horváths Stücken fasziniert: die bewusste Katastrophe zwischen dem, was Horváths Figuren sagen, und dem, was sie meinen, zwischen dem, was sie müssen, weil sie dazu erzogen sind und dem, was sie zu meinen, obwohl sie’s meinen wollen, nicht in der Lage sind. Das heißt für mich: Horváths Erkennen der Sprachlosigkeit, resultierend aus der Sinnlosigkeit von Sprache, wenn sie nicht mehr in der Lage ist, im Sprechenden die Erinnerung an die Absprache hervorzurufen, die sie gemeint hat.“ Also dient die Sprache dazu, Widersprüche zwischen Schein und Sein, Bewusstem und Unbewusstem aufzudecken, den Zuschauer damit zu konfrontieren (und zu brüskieren).

Warum dieser lange Exkurs? Weil der Missverständnisse bei der Interpretation von Horváth-Stücken, wie eingangs erwähnt, viele sind. Weil es dem Regisseur Maximilian Schell, der Geschichten aus dem Wiener Wald drehte, aber auch geradezu in vorbildhafter Weise gelungen ist, genau das zu realisieren, was Horváth verlangte. Die Regie richtet sich bis ins Detail nach den Anmerkungen des Autors: Sie hält sich genau an den Horváth-Text, und sie findet zu eigenen filmischen Lösungen dort, wo der Dramatiker an Bühnenlösungen dachte, die aber einer Filmversion „im Wege stehen“ würden. (...)

Der Ausdruck von Selbstgerechtigkeit, bornierter Überheblichkeit, Brutalität, Frustration, verlogener Moral und Bigotterie wird am Schluss zu einem Höhepunkt geführt, der eine außerordentliche Erschütterung hinterlässt. Die Geschichte spielt Anfang der Dreißigerjahre, und sie trägt das in sich, was auch den Boden bereitete für das, was dann kam. (...)

Für viele wird der Film ein Schock sein, für die, die auf Operettenseligkeit gesetzt haben und nun in Abgründe blicken (müssen). Für die Horváth-Kenner (vor allem also für Theaterleute) aber kann er als ein mustergültiges Beispiel für den Umgang mit den Stücken des ungemütlichen Österreichers gelten. (Ingeborg Pietzsch, 1981 im DDR-Magazin „Film & Fernsehen“)