Die Idee zu Halbe Welt entstand jobbedingt. Meine Freunde und ich, wir lebten und arbeiteten jahrelang ausschließlich nachts. Wir projizierten Abend für Abend Filmloops bei Partys und Konzerten, tagsüber schliefen wir in verdunkelten Räumen. Erste Szenenideen entwickelten sich beim Brainstorming während der Arbeit, ihre Ausformulierungen dauerten ein Jahr. Die erste Drehbuchfassung hieß „Gute Nacht“ und beschrieb den geplanten Science-Fiction-Film als einen „Dokumentarfilm über eine fiktive Situation“. Als literarische Inspirationsquellen dienten Comics wie Watchmen, Autoren wie William Gibson und Philip K. Dick. Optisch geübt wurde bei den Partys.

 

Mit dem ersten Drehbuch drehten wir ein paar Einstellungen auf Video, dann wurden uns die Ausmaße des Projekts bewusst, und wir suchten nach Geld. Schon der erste Versuch schlug fehl: „Man darf sich über die Ozon-Problematik nicht lustig machen“, begründete ein österreichischer Filmproduzent seine Ablehnung des Projekts. Weitere Ablehnungen folgen. Erst das Filmgremium des Bundesministeriums, der „kleinen Filmförderung“ rund um Dr. Herbert Timmermann, macht diesen Erstlingsfilm dann doch möglich. Schließlich sind es um die 300.000 Euro für ein Team, das sich dessen bewusst ist, dass dieser Film ein Spiel ist: ein Spiel mit Sprachfärbungen, asynchron eingesetztem Ton und falsch entwickeltem Filmmaterial. Ein Spiel mit strahlender Zukunft und perfekter Vergangenheit samt unvermuteten Bruchstellen, in denen die Gegenwart ahnungslos aufblitzen wird.

Vorbereitung und Realisierung des Films verlaufen anekdotenreich. Als ich Dani Levy in Berlin besuche, um mit ihm über seine Rolle zu reden, stellt er mir seine Freundin vor und fragt, ob sie auch mitspielen könne. Sie ist Schauspielerin und heißt Maria Schrader, ein paar Jahre später ist sie der Shootingstar des deutschen Films. Rainer Egger, Darsteller des sonnensüchtigen „Herzog“, erblindet nicht nur im Film, sondern aufgrund unserer UV-Scheinwerfer auch im wahren Leben. Im Krankenhaus kommentiert er dies lapidar mit den Worten „Ich bin Herzog“, verlangt nach Blumen für seine Ärztin, denn allein sie gebe ihm noch Hoffnung.

Für die Szenen im illegalen „Tag-Taxi“ fährt Karl Markovics ein Auto, dessen Scheiben völlig verdunkelt sind. Sein Lotse ist der Requisiteur. Der liegt am Dach des fahrenden Wagens und klopft warnend, sobald wir uns dem jähen Ende des aufgelassenen Rollfelds nähern. Mercedes Echerer und Proschat Madani tragen die einjährige Paula Flicker durch Film und Drehpausen, ein Monat nach Drehende sind beide Schauspielerinnen schwanger. Das Team wird mehrmals verhaftet, Drehgenehmigungen sind Mangelware.

So entsteht allmählich der Film, getragen von einem Team, das Filmemachen als Spiel versteht. Als der Film fertig ist, schlage ich dem Produzenten Helmut Grasser sofort ein Remake vor. Zur Premiere des Films schreibt Alexander Horwath, Direktor des Filmfestivals Viennale, wir hätten das Science-Fiction-Genre für das Alpenland neu erfunden. Das Filmmagazin Variety schreibt: „Alphaville meets Terminator.“ Beim ersten Auslands-Screening des Films, im Rahmen des französischen Filmfestivals Fantastica, erhält der Film den Spezialpreis der Jury.

Jury-Mitglied Terry Gilliam fragt mich, wieviel der Film gekostet hat. Ich sage es ihm, er nickt anerkennend, klopft mir auf die Schulter und sagt: „Good night.“ Gute Nacht. (Florian Flicker)