Im Anfang war das Wort: So beginnt das Evangelium des Johannes, und nachdem dieser Apostel ein halbwegs gescheiter Bursche war, wollen wir ihm das auch glauben. Und was hat das jetzt mit meinem Stifter-Film zu tun? Ganz einfach: Bei Stifter stand bei mir am Anfang auch das Wort, und zwar in Form des Satzes: Mein Vater war ein Kaufmann. Zugegeben: Das sind nicht unbedingt die Sätze, mit denen Bestseller beginnen, aber im Falle des Nachsommers, so heißt die 1000 Seiten dicke Erzählung (!) des dicken Herrn Stifter, war der Anfangssatz immerhin stark genug, um mich auch die restlichen paar Tausend Sätze lesen zu lassen. Was dann folgte, war gewissermaßen eine Stifter-Einverleibung, die ihren Niederschlag konsequenterweise in dem Buch Suppe Taube Spargel sehr sehr gut. Essen und trinken mit Adalbert Stifter sowie zahlreichen Stifter-Kochtheater-Abenden fand.

 

Da der Platz knapp ist und die Zeit kostbar, machen wir an dieser Stelle einen Jumpcut nach Graz zur Diagonale des Jahres 2002. In meiner Funktion als Mitglied der Jury für den Großen Diagonale-Preis durfte bzw. musste ich mir auch zehn österreichische Dokumentarfilme ansehen. Das Problem dabei war, dass ich zwar zehn Filme sah, aber keine Regisseure. Mich aber hätte brennend interessiert, wer die Leute waren, die sich so gut hinter ihren Kameras verstecken konnten. Der Rest erledigte sich dann quasi von selbst, und im Sommer 2003 drehten wir mit einem Minimalbudget von 100.000 Euro den Film Der Schnitt durch die Kehle oder die Auferstehung des Adalbert Stifter, bei dem ich nicht nur Regie führte, sondern auch vor der Kamera stand. Ich wollte nämlich keinen objektiven Film drehen, der so tut, als würde hier die Wahrheit und nichts als die Wahrheit verkündet werden, sondern einen Film, bei dem der Zuschauer dem Regisseur quasi bei der Arbeit zusehen konnte.

Dass ein solches Konzept vor allem die Kritik spalten würde, war vorauszusehen, und insofern war es auch nicht verwunderlich, dass der Film nicht nur als schräg, grotesk, irrwitzig und grenzgenial bezeichnet wurde, sondern auch als peinlich, armselig und stümperhaft. Der – wenn auch bescheidene – Erfolg des Films führte jedenfalls dazu, dass das Österreichische Filminstitut, der Filmfonds Wien und der ORF sich bereit erklärten, eine allfällige Fortsetzung dieses Experiments finanziell zu unterstützen. Also drehten wir im darauffolgenden Jahr mit einem Budget von 450.000 Euro den Film Der Wadenmesser oder Das wilde Leben des Wolfgang Mozart. Trotz des vergleichsweise hohen Budgets folgt Der Wadenmesser dem gleichen Prinzip wie der Stifter-Film. Weder beim Stifter-, noch beim Mozart-Film geht es um ein allgemeingültiges Bild des jeweils Porträtierten, und im Falle Mozarts interessierte mich eben nicht die Ikone, sondern das Raue, Wilde, Dreckige, das Mozart ja auch repräsentiert. Dass Mozart beispielsweise ein großer Fäkalkomiker war und sich in seinen Briefen mehr mit seiner Verdauung als mit dem Komponieren beschäftigte, wollen die Vertreter der reinen Lehre, die sich nicht selten als reine Leere entpuppt, nicht sehen, weil es nicht in ihr Verwertungskonzept passt. Insofern freut es mich, dass Der Wadenmesser ausgerechnet auf der Homepage des Bundeskanzleramts als Meisterwerk bezeichnet wurde.

Der Mozart-Film war übrigens als zweiter – und letzter – Teil meiner Künstler-Trilogie gedacht, wobei sich den dritten Teil jede(r) selbst dazudenken sollte. Dass mit dem Film Hermes Phettberg, Elender meine Künstler-Trilogie nun tatsächlich abgeschlossen ist, verdankt sich eher einem Zufall. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. (Kurt Palm)