Ein Film, der einen Titelhelden hat, diesen aber nicht in Erscheinung treten lässt: Jesus von Ottakring, 1975 auf der Basis eines gleichnamigen Volksstücks von Helmut Korherr und Wilhelm Pellert gedreht, umschifft mit dieser Volte gleichsam zwei „Problemzonen“. Zum einen muss er entlang der quasi von Umstehenden erzählten Geschichte eines von Kleinbürgern ermordeten „Linksradikalen“ die Gleich_setzungen mit Jesus nicht überstrapazieren. Zum anderen wird die Frage, was das damals wirklich hätte sein können in Österreich – „linksradikal“! –, diskursiv und realpolitisch, geradezu elegant umgangen. Was in Zeiten, in denen sich anderswo längst so etwas wie ein „Neues deutsches Kino“ mit entsprechenden essayistischen Vorgaben eta_blierte, durchaus symptomatisch für den österreichischen Umgang mit politischer Radikalität scheint.

 

Wilhelm Pellerts Film hat dennoch Meriten: Die auch aufgrund des Minimalbudgets durchaus dokumentarisch rauen Bilder des Wiener Gemeindebezirks Ottakring und das holzschnittartige Schauspiel, gebrochen, z.B. an der Tatsache, dass etwa Rudolf Prack als mörderisch großväterlicher und rechtschaffener Major a. D. eine Vergangenheit mit Heimatidyllen wie Der Förster vom Silberwald aufzuweisen hatte: Sie ergeben interessante Risse in einem Filmschaffen, das gleichsam noch nicht genau weiß, ob es wütend rebellieren wird (was später mit Franz Novotnys Exit geschah) oder ob es entlang diverser Volkstheater-Spielpläne zu neuer didaktischer Rechtschaffenheit finden will (siehe später Franz Antels Der Bockerer). In Jesus von Ottakring herrscht insofern rund um eine „fehlende“ Zentralfigur eine gewisse Unruhe und Sensibilisierung, in der man erst einmal den Dialog zwischen Generationen ermöglicht und forciert.

Bezeichnend Rudolf Prack über sein Engagement: „Ich hab immer Kollegen beneidet, die mehr Charakter im Gesicht gehabt haben, die – mies waren. Aber diesmal, im Jesus von Ottakring, spiel ich an Mörder, an richtiggehenden. – Dabei hat mich die Rolle gar nicht so sehr interessiert. Interessiert hat mich, wie der Regisseur hierher gekommen ist. Wie der kam, hat er mir schon g’fall’n, und ich hab mir gedacht, also das wär a Mann. Er hat mir alles erzählt, und dann haben wir über die Gage gesprochen. Also da bin ich um einen Teil blässer geworden, doch zum Schluss haben wir uns geeinigt, weil mir dieser Mann gefallen hat als Jugendlicher und dass er den Mut hat, in so was einzusteigen. Alle diese Burschen. Die müssen ja jetzt neben den Schuhen gehen, bei dem, was sie dazukriegen. Jetzt, wo ich gedreht hab, seh ich wirklich, dass die aufopfernd sind und sich hineinstürzen und bestimmt kan Kreuzer Geld haben.“ (Claus Philipp ist Kulturressortleiter des Standard, zuletzt Mitherausgeber von „Alexander Kluge: Magazin des Glücks“, erschienen in der „Edition Transfer“ bei Springer Wien New York)