Im Café Malaria in einer stillen Seitenstraße Wiens trinken die Gäste seltsame Cocktails: einen „Schizo“ oder einen „grünen Koitus“, nicht selten auch ein „Captagon-Citron“. Tusnelda, die kühle Wirtin, bereitet ohne große Worte die schäumenden Getränke zu, während sich die Gäste mit jedem Schluck mehr exaltieren. Es ist das Jahr 1982, und es sieht alles danach aus, als hätte das junge Wien gerade erst das Ausgehen entdeckt. Alle sind sie da in diesem ersten Spielfilm von Niki List: politisierte Studenten, streitende Paare, androgyne Punks, Snobs aus den besseren Bezirken der Stadt und ein amerikanischer Macho, der stoisch die Kassetten in den Rekorder schiebt.

Denn in Malaria geht es nicht so sehr um eine Geschichte als vielmehr um eine gewisse Stimmung, zu der die zeitgenössische Musik wesentlich beiträgt: Bands wie Minisex, Viele bunte Autos oder Rosachrom brachten die damals neuesten Errungenschaften nach Wien. Dezidiert unbedarfte Texte („Liliputaner spielen Indianer, der letzte Mohikaner“) und ebenso unbedarft wirkendes Herumtasten auf dem Synthesizer ergaben eine tolle Mischung aus Monotonie und Alltag. Niki List versammelte in diesem Low-Budget-Film, der sich als Hit erwies, zahlreiche Szenegrößen.

Andreas Vitàsek, damals noch mit Akzent auf dem Namen, tritt als Klemmer Hugo auf, der als Einziger eine Frau abschleppt („in jeden Film gehört eine Bettszene“, bemerkt dann einer der Herumstehenden auskennerisch), später aber wieder zurückkehrt, um in den wild-aktionistischen Abspann hinein das Saxofon zu blasen. In Malaria geht es einzig um die Geschichte dieser Nacht, um die Leute, die auftauchen, um das Durcheinander der Gespräche (der Film ist nachsynchronisiert, die Vielstimmigkeit ergibt einen Effekt, den man heute als Lo-Fi bezeichnen würde), um die gewagten Selbst_stilisierungen, die nicht selten die _herkömmlichen Geschlechterkonzepte über den Haufen werfen. Die Gender-Sensibilität hat einen interessanten Paten: Das einleitende Insert von Malaria verweist auf Otto Weininger, der Malaria zu einer Metapher für „innere Versumpfung“ gemacht hat (wenn das Zitat nicht selbst ein Schmäh ist, eine Verballhornung wie die Namen Sherry Cotton und Federico Fellatio, die im Film auch auftauchen).

Niki List tritt auch selbst auf: Er spielt einen Dealer, der Shit aus Bananenschalen gewinnt. Die allgemeine Bedröhntheit in Malaria mag dem Zeitgeist geschuldet sein (dieses Wort wurde damals ja auch Mainstream), sie ist zugleich aber Voraussetzung für einen Film, der sich von großen Vorbildern (Godard! Truffaut!) nicht ins Bockshorn jagen ließ. Kino ist nicht 24-, sondern mindestens 48-mal Wahrheit in der Sekunde – aber erst nach Genuss von mehreren Schizos! (Bert Rebhandl lebt als Filmkritiker und Autor in Berlin. Zuletzt erschien von ihm „Western. Genre und Geschichte“ bei Zsolnay.)