Asphalt kommt in der österreichischen Filmgeschichte ein besonderer Stellenwert zu. Vor seiner Veröffentlichung werden hohe Erwartungen an den Film geknüpft. Ein avantgardistisches Experiment mit sozialem Engagement in der Art neoveristischer Filme wird angekündigt. Regisseur Harald Röbbeling wählt nur wenige Berufsschauspieler und besetzt die übrigen Rollen mit Laien. Der Film ist niedrig budgetiert und wird ohne konventionelles Drehbuch außerhalb des Ateliers gedreht. Basierend auf Polizeiberichten und Dossiers der Fürsorge, zeigt Asphalt fünf Reportagen von Jugendlichen, die im Nachkriegswien zugrunde gehen. Sie nutzen den Appell, um die Gesellschaft über die Gefährdung der Jugend aufzuklären.

 

Für die Kritik der frühen Fünfzigerjahre bedeutet der Film eine Enttäuschung. Asphalt gilt dabei vor allem inhaltlich sowie als Regiearbeit als Misserfolg. Intention, Kameraführung, Musik und Nachwuchsschauspieler finden breite Anerkennung. Allein durch seine Themen scheint der Film massiv an den Wurzeln gängiger Moralvorstellungen zu rühren. Formal gibt man den Sinn für das Neue und Avantgardistische vor, steht dabei aber für alte, tradierte Werte ein. Diese Haltung gilt für Asphalt ebenso wie für dessen Kritiker. Trotzdem entfaltet der Film mit seinem düsteren, harten Schwarz-Weiß, seinen lakonischen Sätzen, den Laienschauspielern, schnellen Fahrten und authentischen Orten formalästhetisch eine intensive Wirkung. Wesentlichen Anteil daran haben auch die swingende Musik Roland Kovacs sowie das teilweise atmosphärisch dicht eingesetzte Harmoniumspiel, das an die Klänge aus dem wenige Wochen vor Asphalt präsentierten Film Der Rabe von Kurt Steinwendner erinnert.

Der Einsatz der Musik ist symptomatisch für das formale Verständnis von Asphalt. Sie überträgt die Innenwelt der Protagonisten in eine Sphäre der Klänge. Verdichten sich dem Krüppel Karl die Beschimpfungen, die Ausgeschlossenheit ins Unerträgliche, scheint die Straße nur mehr eine schwarze, spiegelnde Fläche zu sein, steigern sich die Rhythmen des Harmoniums ins Bedrohliche. Die Musik ist kein illustratives Pendant des Bildes. Sie gestaltet aber auch nicht unabhängig vom Bild eine eigene Tonebene. Sie wählt Elemente aus dem Gezeigten aus und betont psychologische Zustände mit eigenständigen Mitteln. Sie akzentuiert. Auch die Kamera lässt sich nicht von einer offenen Neugierde auf die Welt leiten. Sie folgt vielmehr einer Idee, die vorgibt, welche Aussagen über diese Welt getroffen werden sollen. Dabei sucht sie allerdings Blickwinkel, Arten des Überblendens, Muster aus Licht und Schatten, die im österreichischen Nachkriegskino noch nicht zu sehen waren. Asphalt befindet sich an einer Schnittstelle von einer alten Auffassung, die Theater/Kino als moralische Anstalt setzt, und einer neuen Praxis, Bilder und Töne für einen Film zu finden. Asphalt kann auch als notwendiger Vorläufer zu Steinwendners Wienerinnen gelten. Beide erzählen in Episoden, feilen an der Tonebene und arbeiten mit Laiendarstellern neben professionellen Schauspielern. Und beide belegen: In Filmen zu einem anerkennenden Verhältnis zur Wirklichkeit zu gelangen ist keine Frage der Moral. Realismus im Kino ist ein Effekt. Er leitet sich aus einer Haltung zum Sehen, zum Vorgefundenen und der formalen Gestaltung des Films ab.(Vorwort zu einem „Asphalt“-Essayband (Filmarchiv Austria) von Christian Dewald.)