Der Schüler Gerber hat absolviert hieß die 1930 erschienene Originalversion des Romans des damals 22-jährigen Friedrich Torberg. Dass Gerber die Tatsache, erfolgreich die Matura abgelegt zu haben, nicht mehr erfährt, weil er sich in einem Akt der Verzweiflung im Schulgebäude das Leben genommen hat, ist der tragische Schlusspunkt von Torbergs Roman, geschrieben unter dem Eindruck des eigenen „Versagens“ bei der Matura und einer Reihe von Schülerselbstmorden im Jahr 1929.

 

Über Jahrzehnte hinweg wurde das Buch zur Pflichtlektüre für alle Oberstufengymnasiasten in Österreich, von denen nicht wenige wohl überlegten, ob sie selbst einen ähnlich fiesen Klassenvorstand haben, wie er dem unglücklichen Gerber in der Gestalt von Artur „Gott“ Kupfer, Professor für Mathematik und Darstellende Geometrie, entgegentritt. Es war also nicht weiter verwunderlich, dass dieses handfeste Stück gehobener österreichischer Anklageliteratur (gegen ein verknöchertes, menschenverachtendes System), das noch dazu eine hochdramatische unglückliche Liebesgeschichte (des schwärmerischen, hypersensiblen Gerber zur frühreifen Ex-Klassenkameradin Lisa Berwald) enthält, früher oder später zum Filmstoff werden musste, verwunderlich eher, dass dies erst 1981, zwei Jahre nach Torbergs Tod, geschah.

Im typischen Stil der gediegenen deutschsprachigen Literaturadaption der 60er- und 70er-Jahre (von den ZDF-Vierteilern nach Dostojewski bis hin zu den Joseph-Roth-Verfilmungen des ORF) inszenierte Wolfgang Glück, der früher Mädchen für die Mambo-Bar auf die Leinwand gebracht hatte, später – legendär – mit 38 – Auch das war Wien für den Fremdsprachen-Oscar nominiert und Leiter der Wiener Filmakademie wurde, das tragische Geschehen schnörkellos und ohne größere Abschweifungen bis hin zum gegenüber dem Buch leicht variierten Schluss. Das Drehbuch schrieb Glück mit Werner Schneyder, die Kamera führte – auf dem Höhepunkt seines Fassbinder-Ruhms – Xaver Schwarzenberger, und so atmet der ganze (Fernseh)-Film, wenn schon keine aufregende künstlerische Vision, doch Qualität allerorten, vom angemessen unglücklichen Damals-noch-nicht-Dramatiker Gabriel Barylli als Gerber bis hin zum überragenden Werner Kreindl als "Gott" Kupfer, der völlig zu Recht mit dem Deutschen Filmpreis als bester Darsteller ausgezeichnet wurde.

Zeit- und Lokalkolorit (gedreht wurde u. a. im Wiener Akademischen Gymnasium) sind ebenso untadelig wie die Sprechweise der Protagonisten, ein akademisch eingefärbtes Wienerisch, das sich wohltuend vom heutigen Fernseh-Kauderwelsch abhebt. Leise Wehmut ruft die Tatsache hervor, dass in einem Land und in einer Filmszene, die häufig beklagt, es gäbe "bei uns" keine Filmschauspieler, tragende Rollen für solche Größen wie Kreindl, Rudolf Wessely oder Romuald Pekny allzu selten überhaupt geschrieben wurden. (Andreas Ungerböck ist langjähriger Mitarbeiter der Viennale, Herausgeber des Filmmagazins „ray“)