Acht Jahre haben wir gemeinsam an der Alpensaga gearbeitet. Am Ende hieß es, dies sei ein „Meilenstein der Fernsehgeschichte“, ein österreichisches Pendant zu Bertoluccis 1900. Das finale Lob täuscht über die Geschehnisse davor hinweg: Während der Dreharbeiten gab es Boykottaufrufe von Interessengemeinschaften wie dem österreichischen Bauernbund, Drehverbote an diversen Orten und Tiraden gegen das Projekt von katholischen Kanzeln herab. Die zutiefst österreichische Haltung, zu verhindern, was man nicht kennt, traf uns noch vor der Ausstrahlung der Filme. Als die Alpensaga später von vielen Fernsehstationen der Welt gesendet wurde, gab es etliche Väter des Erfolgs, auch unter den Verhinderern.

 

Wir, die Autoren und der Regisseur, hatten drei Intentionen. Wir wollten Geschichten aus der österreichischen Geschichte von 1900 bis 1945 erzählen, vor allem aus der bäuerlichen Welt, wie sie bis dahin noch nicht erzählt worden sind. Aus der Perspektive von Bauern, Knechten und Mägden sollte von historischen Ereignissen berichtet werden, von der Auswirkung der „großen“ Welt auf die „kleine“ dörfliche. Wir wollten die Geschichte „von unten“ erzählen.

In diesen Geschichten aus der Geschichte – und das war unsere zweite Intention – sollte die Sehnsucht der Menschen nach einem anderen Leben spürbar werden. Wir erzählen vom Versuch der Kleinbauern, eine Ge_nossenschaft zu gründen, vom mu_tigen Kampf der Bäuerinnen gegen eine _requirierende Soldateska, vom Traum eines Bauernsohnes, nach Amerika zu entfliehen und immer wieder auch von der Liebe und ihrer Möglichkeit und Unmöglichkeit in einer moralisch und hierarchisch verkrusteten Welt. Und wir wollten dem Medium Fernsehen zeigen, dass es mehr sein kann, wenn es mehr sein will, als nur eine Flimmerkiste des Immergleichen. (Wilhelm Pevny, Peter Turrini und Dieter Berner)

Die Menschen in diesem Land sind es nicht gewohnt, Subjekte von Geschichten zu sein, und die wesentlichste Aufgabe der Alpensaga besteht wohl darin, Mut zur eigenen Biografie zu machen. Bevor man aber bei Menschen etwas verändern will, müssen sie erst einmal das Gefühl haben, dass ihre eigene Geschichte etwas wert ist. Die Alpensaga – und das ist vermutlich ihr wesentlichstes Verdienst – hat die Biografien der kleinen Leute hoffähig, sprich fernsehfähig gemacht. (...) Mitten in diese politische Landschaft, in dieses Ruhegeben, Aufbauen, dieses Restaurieren, fielen die ersten Ausstrahlungen der Alpensaga, die teilweise von der Öffentlichkeit, aber vor allem von politischen Funktionären schlicht und einfach als Schock empfunden wurden. Was da plötzlich passierte, war, dass ein Einverständnis durchbrochen und gestört wurde, das in diesem Land über österreichische Geschichte zu bestehen schien. Ich erinnere mich, dass die ersten Auseinandersetzungen von politischen Interventionen im Medium begleitet waren, unter dem Motto: Ist denn so etwas überhaupt erlaubt? Österreich ist 1945 geschichtslos geworden, man muss es immer wiederholen. Und da wurde ein Stück Geschichte, Verdrängung, Schuld, wieder hereingeholt, und es wurde nicht in einem kleinen Theater, nicht in einer wissenschaftlichen Dissertation gesagt, sondern dort, wo Millionen vor dem Fernsehapparat saßen – das war die Situation 1971/72/73.(Peter Turrini, erschienen in einer Textesammlung bei Luchterhand)