Martin Putschögl hat auch am 33. Verhandlungstag am Pressesessel Platz genommen und berichtete für derStandard.at live über die Aussagen Herbert Tumpels.

Wien - Im Bawag-Prozess war heute am 33. Verhandlungstag Herbert Tumpel, seit 1997 Präsident der Arbeiterkammer und zuvor Aufsichtsratspräsident der Bawag geladen. Unter seiner Ägide wurde 1995 die Wiederaufnahme der Karibik-Geschäfte der Bank mit Wolfgang Flöttl beschlossen. Tumpel ist mit der früheren Nationalbank-Vizegouverneurin Gertrude Tumpel-Gugerell verheiratet, die am Montag als Zeugin im Prozess befragt wurde (Siehe Live-Protokoll und "Wie die Nationalbank einem Bankenskandal nachschaute" ).

Weiters werden heute noch die früheren Bawag-Aufsichtsräte Erich Foglar (heute Metaller-Gewerkschaftschef) und Eduard Aschenbrenner von der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten. Die ebenfalls geplanten Aussagen von Brigitte Jakubovits, vom Betriebsrat entsandte Bawag-Aufsichtsrätin, sowie Josef Cerny, pensionierter Direktor der Arbeiterkammer Wien und ehemaliger Bawag-Aufsichtsrat, wurden auf November verschoben.

11:38 Uhr

Tumpel wird verabschiedet. Die Richterin gewährt fünf Minuten Pause. derStandard.at beendet die heutige Live-Berichterstattung ausnahmsweise schon zu Mittag.

11:30 Uhr

Tumpel sitzt relativ entspannt zurückgelehnt auf dem Zeugenstuhl, vor ihm liegt eine weinrote Aktenmappe, seine Befragung dauert nun schon über zwei Stunden.

Schubert fragt, ob Tumpel ausschließen kann, dass eine Limit-Erhöhung von 400 auf 550 Millionen Euro in seiner Zeit als Aufsichtsratschef beschlossen wurde? Rückblickend habe es eine "sehr unübersichtliche Art der Darstellung" gegeben, so Tumpel, es sei aber immer über die Risiken gesprochen, über die Geschäfte "immer wieder diskutiert" worden. "Hat das keinen Aufsichtsrat im Detail interessiert?", fragt Schubert dann. Tumpel sagt, es sei jedenfalls Sache des Vorstands gewesen, dem Aufsichtsrat die nötigen Informationen zu liefern.

"Jede Form der Banktätigkeit ist mit Risiko, manchmal auch mit nicht kalkulierbarem Risiko behaftet", erklärt Tumpel auf die Frage eines Anwalts, was er denn damit gemeint habe, dass der Aufsichtsrat bei der Wiederaufnahme der Flöttl-Geschäfte quasi einen Totalverlust ausgeschlossen hat.


Herbert Tumpel am Mittwoch im Gericht: "Niemand ist von einem Totalverlust ausgegangen. Überhaupt niemand."

Dann fragt Krakow noch etwas über die Behandlung vertraulicher Informationen in der Bawag, die Bohrgeräusche von links setzen wieder kurz ein. "Sind Maßnahmen kriminaltechnischer Art angewandt worden – sind Wanzen angebracht worden etc.?" Er kann sich an sowas erinnern, sagt Tumpel.

"Fühlen Sie sich eigentlich getäuscht von den Bawag-Vorständen?", fragt Bandion-Ortner abschließend. "Es ist Aufgabe des Gerichtes, das festzustellen", sagt Tumpel. Bandion-Ortner darauf: "Auch eine Antwort, gut." Und dann sagt sie noch: "Niemand will mir hier die Arbeit abnehmen."

11.04 Uhr

Hat sich Tumpel bei der Wiederaufnahme 1995 beraten lassen, oder hat er dem Vorstand vertraut? Entscheidungsgrundlage für den Aufsichtsrat war die plausible Darstellung der Bedingungen, sagt er. "Niemand ist von einem Totalverlust ausgegangen. Überhaupt niemand."

Anwalt Kralik will von Tumpel wissen, warum der Wirtschaftsprüfer dafür verantwortlich sein sollte, dass die Beschlüsse im Aufsichtsrat auch umgesetzt werden? Das sei sein Verständnis eines Wirtschaftsprüfers, antwortet Tumpel. "Sicher nicht jeder Beschluss", sagt er dann auf Nachfrage nach der "Grenze" für diese Prüfung, und er sei auch kein Experte für die Pflichten eines Wirtschaftsprüfers. "Ich halte nocheinmal fest: Geschäftsfälle in besonderem Rahmen sind von unmittelbarer Relevanz für den Wirtschaftsprüfer." Wenn der Eindruck entstanden sei, dass er der Meinung ist, der Wirtschaftsprüfer ist für die Kontrolle der Umsetzung jedes Aufsichtsrats-Beschluss verantwortlich, "dann ziehe ich dies mit Bedauern zurück".

Ist irgendwann einmal etwas abgelehnt worden, was der Vorstand wollte? Es seien durchaus manchmal Geschäftsfelder an den Aufsichtsrat herangetragen worden, die dann nicht bewilligt worden seien, so Tumpel.

Anwalt Schubert fragt: Ist es richtig, dass es von Seiten des Eigentümers den Auftrag gegeben habe, niedrige Kreditzinsen und hohe Sparzinsen zu bieten? "Das kann durchaus der Wunsch sein", so Tumpel, aber das sei immer in Übereinstimmung mit der Zielsetzung des Vorstands und des Aufsichtsrats geschehen. Während Tumpels Antwort sind von außerhalb der Mauern des Schwurgerichtssaals laute Bohrgeräusche zu hören, die im Publikum kurz für Staunen sorgen.

11.00 Uhr

Über Verträge wurde im Aufsichtsrat nicht berichtet, antwortet Tumpel auf die entsprechende Frage Krakows. Dann fragt er Zwettler: Warum wurde vom Vorstand diese Zusage, zu berichten, nie eingehalten? Zwettler sagt, er habe sich nicht "einzeln bereiterklärt", dem Aufsichtsrat zu berichten. Er habe auch keine Detailinformationen gehabt – "Warum haben Sie sich nicht bemüht, Informationen zu kriegen?" Elsner habe stets von entsprechenden Streuungen geredet, und dass es sich hier um verschiedene Instrumente handelt, weicht Zwettler aus. Das Währungsrisiko sei überdies nicht in die Bawag eingegangen, "sondern Flöttl, indem er den Leverage zu hundert Prozent in Yen gedreht hat".

Die Richterin wirft ein: "Das war ja Ihre Idee, dass alles auf diese Yen-Spekulation gesetzt wird!" Eine Idee des gesamten Vorstands "mit Ausnahme von Dr. Büttner", konkretisiert Zwettler, und es habe sich nur um die nachgeschossenen 250 Millionen gehandelt. "Dass Flöttl das gesamte Geld zu hundert Prozent in den Yen gesteckt hat, war mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst."

Zwettler hat mit Elsner "sicher gesprochen, dass es Auflagen gegeben hat", sagt Zwettler auf die Frage Krakows, ob er von Elsner versucht hat, die nötigen Informationen für die "monatlichen Meldungen an den Aufsichtsrat" zu bekommen.

Dann gibt’s zehn Minuten Pause. Bandion-Ortner gibt davor noch bekannt, dass die beiden letzten für heute geladenen Zeugen, Brigitte Jakubovits und Josef Cerny, telefonisch verständigt wurden, dass ihre Befragung auf November verschoben wird. Herbert Tumpel sei "ein so wichtiger Zeuge", dass man heute sicher noch einige Zeit für ihn brauchen werde.

10.30 Uhr

Als Tumpel 1997 seinen Aufsichtsrats-Chefposten zurücklegte und an Weninger übergab, sprach er da mit ihm über die Geschäfte? Es habe ein Gespräch gegeben, sagt Tumpel, über einzelne Punkte bezüglich der Bawag kann er sich aber nicht mehr erinnern.

Was denkt er heute über die Verluste? Haben Sie im Jahr 1998 darüber gewusst? fragt die Richterin. Nein, antwortet Tumpel, niemand habe ihm davon etwas mitgeteilt, erst im Vorjahr habe er davon erfahren. Die Beschlusslage im Aufsichtsrat sei jedenfalls gewesen, dass ein Gesamtverlust "eindeutig nicht möglich" war, weil die Risikogrenze klar definiert worden sei. Er selbst hätte jedenfalls "den Aufsichtsrat informiert." Dieser sei im Übrigen "nicht das Gremium gewesen, wo bankinterne und schützenswerte Informationen an die Öffentlichkeit gelangt sind", will Tumpel festgehalten wissen.

Dann die Frage zu Tumpels Gattin, EZB-Direktorin Gertrude Tumpel-Gugerell, die am Montag als Zeugin geladen war (Siehe: Live-Protokoll und "Wie die Nationalbank einem Bankenskandal nachschaute"): Wurde zuhause jemals über die Bawag gesprochen? "Frau Rat, ich weiß nicht, warum mir unterstellt wird, dass ich das Bankgeheimnis verletzt habe, nur weil ich mit jemandem verheiratet bin. Zum ersten." Zum zweiten seien ihre beiden Berufe "sehr unterschiedlich" gewesen, es habe "zu keiner Zeit" Gespräche zwischen ihm und seiner Frau über die Bawag gegeben, das könne er "hundertprozentig" ausschließen. Er sei auch nach seinem Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat der Verschwiegenheit verpflichtet gewesen, so Tumpel.

Dann fragt Staatsanwalt Georg Krakow: Mit welchen Wertpapieren sind die Kredite besichert gewesen? "Es sind immer beispielhaft Sachen genannt worden", so Tumpel, in einem Fall sei etwa von "Bonds" (Anleihen, Anm.) die Rede gewesen. Zu Schwankungen könne es kommen, "das ist immer dezidiert gesagt worden", aber die Schwankungsbreite sei nicht breit gewesen.

10.10 Uhr

Die Richterin fragt dann über Details zu den vereinbarten monatlichen Überprüfungen. Tumpel weiß nichts Näheres dazu, also fragt Bandion-Ortner in die Runde. "Wenn das so berichtet wurde, dann hat das sicherlich stattgefunden", sagt Helmut Elsner dazu. Zwettler muss widersprechen: "Ein- bis zweimal pro Jahr wurde geprüft." – "Naja, das ist ein bissl ein Unterschied gegenüber dem, was im Aufsichtsrats-Protokoll steht, oder nicht?", sagt die Richterin. “Nach dem Text ja”, sagt Zwettler, aber es habe ja nie irgendwelche Beanstandungen gegeben.

Die Richterin zitiert dann ein paar Aussagen zu den Überprüfungen, Elsners Anwalt Schubert regt sich auf, woraus hier zitiert werde, und beruft sich auf die Prozessordnung. "Ich kenn die Prozessordnung", sagt Bandion-Ortner. Und Schubert darauf: "Das ist gut."

Warum habe man sich an der monatlichen Depotaufstellung orientiert, wird Johann Zwettler dann gefragt. Elsner habe das mit Flöttl so besprochen, antwortet dieser. Elsner "kann das heute nicht mehr beantworten", die Werthaltigkeit des Investments sei die wesentliche Information gewesen, "und auf die ist auch nie verzichtet worden".

Frage an Tumpel: "Hat man Ihnen gesagt, dass Dr. Flöttl eine Währungs-Arbitrage betreibt?" Tumpel kann sich "nicht entsinnen, ob das dezidiert so angesprochen worden ist." Er habe auch nicht über Details mit Elsner gesprochen, welche Geschäfte Flöttl hier tätige.


Flöttl umringt von Anwälten und Kameraleuten, daneben die Decken Elsners, die immer mehr zu werden scheinen

"Immer wieder" sei dann über diese Geschäfte berichet worden, sagt Tumpel, auch über die Einschätzung der Risiko-Position. Hat er über die Umwidmung der 150 Millionen im Jänner 1996 gewusst? Nein, sagt Tumpel. Auch an eine nachträgliche Bewilligung im Aufsichtsrat im Juni kann er sich nicht erinnern.

1990 soll der Bawag International Finance (BIF) schon ein "flexibles Limit" der Veranlagunsgrenze eingeräumt worden sein – "ist das richtig?" Tumpel weiß keine Details mehr, es klingt für ihn aber alles "nicht nachvollziehbar".

9.55 Uhr

Die Kritik, die 1994 von der Aufsicht geübt worden ist, werde selbstverständlich umgesetzt, habe der Vorstand bei der Wiederaufnahme der Geschäfte versichert, berichtet Tumpel. "Man hat gesagt: Die Kredite sind besichert durch entsprechende Wertpapiere und Guthaben", es gebe eine Überdeckung des gewährten Kredites. "Sicherstellung war also gegeben, und auch bei kritischer Entwicklung des Zinses wäre es immer möglich gewesen, die Sicherstellungen von Dr. Flöttl zu verlangen." Die Firma von Flöttl hätte eine Nachschusspflicht gehabt, so Tumpel.

"Die Gestionierung war so, dass das Risiko überschaubar war." – "Wer hat Ihnen gesagt, dass es sich nicht um hochriskante Geschäfte handelte?", fragt die Richterin. "Der Vorstand." – "Wer vom Vorstand?" – "Das ist mir jetzt nicht in Erinnerung." Raunen im Publikum.

Es werde in Bereichen investiert, wo selbst eine Zinsdrehung noch immer zu Ergebnissen führt, wo die Schäden für die Bawag eindeutig überschaubar sind – das sei ihm "mehrmals" vom Vorstand gesagt worden. Die Bawag habe immer Zugriff auf die entsprechenden Sicherheiten.

Der Vorstand sei auch 1994 der Meinung gewesen, dass der Umfang der Geschäfte nicht aufsichtsratspflichtig gewesen wäre. Man sei aber doch an den Aufsichtsrat herangetreten und habe sich erklärt. "Der Aufsichtsrat war dann der Meinung, dass der Geschäftsumfang ein begrenzter sein soll." Vereinbart sei gewesen, dass der Aufsichtsrat vor einer eventuellen Aufstockung der Veranlagung informiert werde, so Tumpel.

"Wissen Sie, warum es eigentlich mehrere Firmen – die Special Purpose Companies – gewesen sind, denen man Kredite gewährt hatte?" Tumpel meint, das sei wohl wegen der Risikoabsicherung gewesen. "Was soll das für eine Risikoabsicherung sein, wenn dahinter ja doch derselbe steckt?", so die Richterin. Er sei davon ausgegangen, dass eine Risikostreuung gegeben war, erklärt Tumpel.

Hat er gewusst, dass die Bawag auf monatliche Depot-Aufstellungen verzichtet hat? Nein, sagt Tumpel, und er wäre auch "sicherlich nicht" damit einverstanden gewesen.

9.30 Uhr

Was hat er von den "Karibik-1"-Geschäften mitgekriegt, fragt die Richterin. "Es ist immer wieder berichtet worden", so Tumpel. "Und zwar, dass Kredite an amerikansiche Partner vergeben wurden, und die mit diesen Geldern Veranlagungsgeschäfte verschiedenster Formen getätigt haben – Geschäfte auf Zinsdifferenzen, auf Währungsdifferenzen."

Dass es Vater-Sohn-Geschäfte waren, darüber wäre er gerne schon früher informiert worden, aber es sei dann auch die Konsequenz gezogen worden, dass Geschäfte mit Verwandten im Aufsichtsrat gesondert behandelt wurden.

Hat der Aufsichtsrat das Risiko einschätzen können? Es habe mehrmals eine ausführliche Diskussion im Aufsichtsrat gegeben, so Tumpel. "Die Berichterstattung war in der Art und Weise, dass man das glaubwürdig nachvollziehen konnte."

1994 wurden die Geschäfte rückgeführt, eine Zeitung hatte diese dann aufgegriffen, "und das ist dann unheimlich skandalisiert worden". Es war damals Entscheidung des Vorstandes, die Geschäfte abzubrechen – "weil die Presse-Reaktionen sich in die Richtung mehrten, dass es vernünftiger wurde, die Geschäfte rückzuführen." Nach der Rückführung hat der Aufsichtsrat dann an den Vorstand Fragen gestellt: Waren alle Geschäfte von der Rückführung erfasst, ist dies lückenlos passiert, und sind keine sonstigen Verpflichtungen daraus entstanden? Dies wurde damals verneint, so Tumpel. Eine Bankenprüfung hatte dann auch ergeben, dass die Geschäfte lückenlos zurückgeführt worden sind.

Die OeNB war damals "Hilfsorgan der Bankaufsicht", die war im Finanzministerium angesiedelt. "Die Nationalbank hat diesen Prüfbericht abgeschickt, dieser ist dann – wie es üblich war – zur Stellungnahme der Bawag vorgelegt worden." Ein Problem gab es mit der Großveranlagungsgrenze und mit der Risikostreuung, so der AK-Chef, und auch mangelnde Transparenz wurde beanstandet, sowie die Tatsache, dass die interne Revision nicht unmittelbar mit der Sache betraut worden war.

Der Nationalbank-Bericht ist im Aufsichtsrat diskutiert worden, der Vorstand habe auch die kritisierten Punkte dem Aufsichtsrat dezidiert mitgeteilt.

Am 20. Juli 1995 wurde die Wiederaufnahme der Geschäfte dann im Aufsichtsrat beschlossen. "Tatsache war, dass das ertragreiche Geschäfte waren, dass sich die Risikoabschätzungen in einem guten Bereich bewegt haben, und dass Teile dieser Geschäfte auch Gegenstand der Banktätigkeit sind", es sei dann als sinnvoll erachtet worden, diese Geschäfte wieder aufzunehmen, erklärt Tumpel.

9.10 Uhr

Bawag-Prozess, Tag 33. Viele freie Plätze heute im Gerichtssaal, viel weniger Publikum also, dafür immer noch viele Fotografen und Kameraleute, die auch nach der Aufforderung von Richterin Bandion-Ortner, doch bitte wieder "die Plätze einzunehmen", beharrlich auf das Erscheinen – und man muss das so nennen – von Helmut Elsner warten.

Zeuge ist heute Herbert Tumpel, AK-Präsident und ehemaliger Bawag-Aufsichtsratschef. Um 9:20 Uhr sitzt er schon auf dem Zeugenstuhl, es geht los.