Gerti Zupanich in ihrem Element - sie macht Senioren Mut, ein Studium zu meistern.

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Wien/Graz/Klagenfurt - In der ersten Reihe werden die gespitzten Bleistifte bereitgelegt. Während die letzten Studierenden, ein "Entschuldigung" murmelnd, in den Hörsaal platzen und Zettel herauskramen, hat sie schon längst ihr Aufnahmegerät in Position gebracht - sie ist das Klischeebild einer Seniorstudentin.

"Das gibt es, man kann dieses Vorurteil aber nicht verallgemeinern", weiß Gerti Zupanich aus Erfahrung. Sie studierte in ihrer Pension Politik und macht nun in der Wiener ÖH-Beratung den Senioren Mut: "Sie fragen, ob man schief angeschaut wird unter den Jungen und ob man einen Studienplatz wegnimmt."

"Die Unpünktlichkeit und das Stören der Jungen wird wettgemacht durch das langatmige Ausholen der Älteren in der Diskussion", spricht Rosemarie Kurz den "ausgezeichneten" Studentenalltag von Alt und Jung an. Die Leiterin des ÖH-Referats für Generationenfragen in Graz kann heuer auf 20 Jahre Beratung zurückblicken. "Die Jungen haben uns Mut gemacht, zu Prüfungen zu gehen, und uns überzeugt, dass ein Genügend eine gute Note ist", erzählt sie vom Studium, "im Gegenzug freuen sie sich an den guten Skripten der älteren Kollegen". Für die Uni sei der ältere Studierende ein Gewinn, da er durch seine Berufserfahrung "den Konnex zwischen dem elfenbeinernen Turm und der Gesellschaft schafft".

"Seniorstudenten", darunter fallen Frauen ab 40 und Männer ab 45, ob in Pension oder nicht, stellen im Winter 2006 bundesweit fünf Prozent der Inskribienten: 11.342 Personen, davon 4013 Männer und 7329 Frauen. Das Doktoratsstudium Philosophie ist mit 1199 der Favorit dieser Studentengruppe, gefolgt von Jus (887), Pädagogik (704) und Psychologie (662). Dann kommen Geschichte (500), Kunstgeschichte (453), Medizin (340) und Philosophie (311).

Mit 3731 Personen sind in der Altersgruppe 45 bis 49 die meisten "Seniorstudenten". Zwischen 60 und 64 gibt es 854, bei den 70- bis 74-Jährigen nur 187 Personen.

Etwa in Deutschland, Polen oder Tschechien gibt es eigene Seniorenunis. Herta Spitaler, Geschäftsführerin der European Federation of Older Students at the Universities, spricht sich aber für das "integrative System" aus, wo Alt und Jung zusammen eine Uni besuchen. Manche könnten gar nicht mehr aufhören zu studieren und sammelten Doktortitel, lacht sie über das Suchtpotenzial des Studierens.

Durch steigende Studentenzahlen und den erhöhten Druck das Studium schnell abzuschließen, sei es für Seniorstudierende schwieriger geworden, erklärt Paul Kellermann.

Der Soziologe ist Koordinator des neuen "Seniorstudium Liberale", das dieses Wintersemester an der Uni Klagenfurt startet: Aus einer Liste von Kursen aus Geschichte, Philosophie, Pädagogik, BWL, Mathematik und Informatik kann ein Stundenplan erstellt werden. In dieser ersten Pilotphase ist die Inskription unentgeltlich. Voraussetzung ist, weder in Pension zu sein, noch die Matura.

Die "zweite Jugend"

Vor Einführung der Studiengebühren zählte man wesentlich mehr Senioren an den Unis, im Jahr 2000 waren es 15.000. Doch die Zahlen steigen wieder, verhältnismäßig sogar mehr als die Gesamtstudierendenzahlen. Im Winter 2006 begannen nach der Uni Wien mit 3623 die meisten in Innsbruck (917) und in Graz (781) zu studieren.

"Die drei L, lebenslanges Lernen, darf man nie vergessen, dann wird man auch nicht mieselsüchtig", meint Pensionistin Ilse Toriser, die ihre "Neuronen mit dem Theologiestudium in Graz arbeiten lässt". Zu dem Vorwurf, Plätze wegzunehmen, sagt sie, Senioren würde es nicht einfallen, Fakultäten mit Platzproblemen zu besuchen. "Ich erlebe meine zweite Jugend an der Uni, die für mich eine große Familie ist." (Julia Grillmayr/DER STANDARD Printausgabe, 2. Oktober 2007