ÖVP-Chef Molterer und Perspektivenbeauftragter Pröll haben Visionen.

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Steuerliches Familiensplitting, Laptops für Schüler, Gratis-Parken für Leute mit Nachwuchs: Diese Perspektiven hat die ÖVP und will so aus der Lethargie nach der letzten Wahlschlappe ausbrechen. Doch die SPÖ legt sich jetzt schon gegen viele Vorhaben quer - und auch das geplante Steuerzuckerl „Familiensplitting“ stößt auf Ablehnung bei Experten. Ein solches System bringe „eine massive Umverteilung zu den Besserverdienern, zum obersten Einkommenszehntel“, sagt Sozialexperte Bernd Marin. Hauptprofiteur wäre der Alleinverdiener mit hohem Einkommen, Hausfrau und Kindern. Wifo-Vizechefin Margit Schratzenstaller warnt vor negativen Anreizen für Frauen: „Ein Familiensplitting zementiert das traditionelle Rollenbild.“

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Wien – Im VIP-Raum des Ernst-Happel-Stadions gab es am Montagabend keine Sitzordnung. Vielmehr hatte es der ÖVP-Vordenker Josef Pröll so arrangiert, dass jeder Besucher sich einen eigenen Stuhl nehmen und aufstellen musste, um die eigene persönliche Perspektive auf die Perspektivendiskussion zu finden, die mit der Präsentation abgeschlossen wurde. Parteichef Wilhelm Molterer und sein Perspektivenbeauftragter Pröll haben dort (nach einer Vor-Premiere am Vormittag, zeitgleich mit der Rede des Bundeskanzlers) ihren „Zukunftswerkzeugkoffer“ ausgepackt, den „16 Impulsgruppen in 100 Veranstaltungen“ seit der schwarzen Wahlschlappe des Vorjahres zusammengestellt haben. Zu dem bunten Strauß an schwarzen Forderungen stellte Vizekanzler Molterer klar: „Das ist keine Diskussionsgrundlage, das ist ein Umsetzungsauftrag.“

"Laptop und Lederhose"

Tatsächlich gemahnt das Perspektivenpaket verdächtig an das Credo der bayrischen CSU „Laptop & Lederhose“, das den Christdemokraten dort bis heute eine Zweidrittelmehrheit sichert. Molterers und Prölls Spezln schaffen den Spagat zwischen Volksverbundenheit und Weltoffenheit – doch ist eine solche Grätsche hierzulande überhaupt möglich? Und wo kann die SPÖ mit? DER STANDARD unterzog das schwarze Papier einem Realitäts-Check.

  • Eingetragene Partnerschaft: Nachdem sich die ÖVP bisher gegen die Homo-Ehe quergelegt hat, kann sie sich nun eine eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle vorstellen. In Kürze soll ein eigener Antrag vorgestellt werden, versprach Molterer – und rennt damit bei Justizministerin Maria Berger (SPÖ) offene Türen ein. Sie hofft, dass „im Laufe des nächsten Jahres“ eine entsprechende Regelung vom Parlament verabschiedet werden kann: „Es soll einen Vertrag für gleichgeschlechtliche Paare geben, der vor einem Standesbeamten geschlossen wird.“

    In der ZIB 2 kündigt Molterer einen ähnlichen Zeitplan an: "Wir arbeiten jetzt einen Gesetzesentwurf aus. Ich hoffe, dass wir noch heuer in die Endgespräche auch mit dem Regierungspartner eintreten können."

  • Steuer-Familiensplitting: Die ÖVP möchte künftig das Familieneinkommen fiktiv auf jeden Kopf in der Familie aufteilen – die Folge wären immer niedrigere Steuersätze. Oder: Der Alleinverdiener mit hohem Einkommen, Hausfrau und Kindern profitiert vom Familiensplitting am meisten. Eine berufstätige Frau käme ihm teurer. „Das Familiensplitting zementiert das traditionelle Rollenbild“, warnt Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller vor negativen Anreizen für Frauen. Zudem wäre dieses Steuerzuckerl nicht nur völlig gegen den internationalen Trend, der zur Individualbesteuerung geht, sondern hätte auch „erhebliche budgetäre Auswirkungen“.

    Sozialexperte Bernd Marin vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik erklärt: „Familiensplitting bedeutet eine massive Umverteilung zum obersten Einkommensdrittel.“ Die „gut verheiratete Hausfrau“ würde alimentiert – und zu Hause einbetoniert. „Es wird sehr attraktiv, sich am Heiratsmarkt umzutun und nicht am Arbeitsmarkt.“

  • Mehrheitswahlrecht: „Offen“ will sich die ÖVP künftig auch gegenüber der Diskussion über ein Mehrheitswahlrecht geben. Doch SPÖ-Klubchef Josef Cap sieht für eine Änderung des Wahlsystems „keine großen Bewegungen in beiden Großparteien“. Nachsatz: „Eine Debatte über das Mehrheitswahlrecht flammt nur dann stark auf, je schlechter es um die Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP bestellt ist.“

  • Laptops für Schüler: Der Idee, jedem Volksschulabgänger einen Laptop zu schenken, erteilt die SPÖ eine Absage: Bei knapp 90.000 Viertklässlern pro Jahr würde das 90 Millionen Euro kosten, rechnete SPÖ-Geschäftsführer Josef Kalina vor. Und das sei „ein teures Zuckerl für ein paar wenige“.

  • Gratis-Parken für Familien: Auch diese Idee bestand den Reality-Check nicht. Im Büro des Wiener Stadtrates für Verkehr, Rudolf Schicker, kann man sich nicht vorstellen, dass Familien künftig Gratis-Parkplätze bekommen. Parkplätze seien ohnehin Mangelware, mit diesem Vorschlag würde man nur zusätzliche Konflikte provozieren. Schicker: „Wie vieles im Perspektivenpapier ist auch das perspektivenlos.“ (red, Andrea Heigl, Lisa Nimmervoll, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe 2.10.2007)