Wilhelm Gaube hat seit Ende der 60er-Jahre ein einzigartiges filmisches Werk geschaffen: ein wild wucherndes Œuvre, zumeist Porträts von österreichischen Künstlern. Viele Jahre waren diese Filme (gegenwärtig sind es rund 250 Arbeiten!) auch Interessierten völlig unbekannt. Dies lag nicht zuletzt am radikalen Selbstverständnis des Filmemachers selbst: Gaube fertigte seine Künstlerporträts konsequent ohne Auswertungsabsicht, lediglich für die Archive des Wiener Museums Moderner Kunst. Erst 1993, im Rahmen der "Diagonale", wurde ein Teil der Filme erstmals öffentlich aufgeführt (und gleich als die Entdeckung des Festivals gefeiert). Seitdem weiß man zwar um die Qualität der Arbeiten und hie und da werden sie auch gezeigt – aber bis heute ist das Werk Gaubes, selbst als kulturgeschichtlich bedeutsame Quelle, weit entfernt von einer angemessenen Anerkennung bzw. Auseinandersetzung.

Aber auf Anerkennung, besonders von staatlicher Seite, hat der heute 82-jährige Niederösterreicher ohnehin niemals Wert gelegt (diverse Ablehnungen von Preis-Ehren belegen dies): Gaube hat seine Filmarbeit nie als Ausdruck einer künstlerischen Tätigkeit verstanden, sondern neben der archivarischen vor allem als kommunikative Angelegenheit. Das Filmemachen als „Hetz“, wie er sagt. So sind bei ihm, und das macht wohl die Qualität seiner Arbeiten aus, die Porträtierten nicht bloß Objekte: Das Künstlerporträt ist Gaube zumeist Vorwand für eine Begegnung in größtmöglicher Direktheit (nicht nur in ästhetischer Hinsicht) und für das gemeinsame Erlebnis der Dreharbeiten (und die dazugehörige Geselligkeit).

Diese Vorgangsweise, die der Vitalität stets den Vorrang vor dem Resultat einräumt, hat nichts gemein mit staubiger Kunsthistorie und kalkuliert die Schönheit des Unfertigen und des vermeintlichen Mangels virtuos mit ein. Und in ihren besten Momenten, insbesondere wenn die Selbstreflexion weit geht, gehören die Filme Gaubes zum Schönsten, was der heimische Dokumentarfilm hervorgebracht hat: das frühe Meisterwerk Ringel (1972) gehört dazu, die experimentelle Gesamtkunstdokumentation Johann Plank (1982) oder die verschmitzten Kunst-Performances von Johann Jascha (1978/88). So wenig Gaube an Kunstkategorisierung interessiert ist, so wenig auch am Kunstbetrieb: Lieber setzt er sich mit denen zusammen, die wenig Aufhebens von sich und ihrer Kunst machen (Johannes Koller, Oskar Höfinger, Gerda Fassl), oder setzt jenen ein Denkmal, die er mag und bewundert (Oskar Bottoli, Viktor Matejka).

Die Künstlerporträts von Wilhelm Gaube sind ein Kosmos für sich: eine Schatztruhe, gefüllt mit kostbaren Momenten dokumentarischer Beobachtung. Über seine Filme sagt Gaube, dass sie nicht mehr mit ihm zu tun hätten, „als dass ich sie gemacht habe“. Aber das Gegenteil ist wahr. Seine Filme sind wie er selbst: unverblümt direkt, kenntnisreich und höchst amüsant.

 

Constantin Wulff ist Filmemacher, Journalist und Gründungsmitglied von Navigator Film