Stars: "In Our Bedroom After The War"

Mit "Your Ex-lover is dead" auf dem Vorgänger-Album "Set yourself on fire" haben sich Torquil und Amy vom kanadischen Pop-Aushängeschild Stars in die Reihen der großen Duett-Partner eingeschrieben; und auch auf dem neuen Album treten sie mehrfach in Doppelaktion. Deutlich hört man dem neuen Werk, das nicht von ungefähr viele an die 80er-Popikonen Prefab Sprout erinnert, allerdings den Produzentenwechsel an: Alles etwas feiner geschliffen, glatter poliert und ... ja, auch braver. Die Rettung bringen die Nummern, die aus der allgemeinen Glätte nach oben oder unten ausschlagen: Nach oben wie die kraftvollen Gitarreneinsätze von "Take me to the riot" oder "Bitches in Tokyo" - nach unten "Personal", die atemberaubend traurige Vertonung eines Single-Chats: So einfach, so magisch. (Arts & Crafts/Universal)

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Stars

Coverfoto: Arts & Crafts

Edwyn Collins: "Home Again"

"It's not in your mind - it's in your heart": Scheitern, Wiederaufrappeln und Überdauern ist das große Thema, das sich durch alle Stücke des neuen Albums von Edwyn Collins zieht. Aufgenommen wurde es, noch bevor er sich wegen einer Gehirnblutung Anfang des Jahres einer schweren Operation unterziehen musste - und wird durch seine Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt doch in einen Kontext gerückt, der es noch berührender macht. Neben einigen Blues-Stücken und fröhlich schimmernden Songs, die noch aus Collins' Orange Juice-Zeiten stammen könnten, sind es vor allem stille, aber gewaltige Balladen wie "Leviathan" oder der Titelsong, die "Home Again" prägen. Ganz große Platte! (Heavenly)

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Edwyn Collins

Coverfoto: Heavenly

Jens Friebe: "Das mit dem Auto ist egal Hauptsache dir ist nichts passiert"

Wer mit deutschsprachigem Pop in der Regel nichts anfangen kann, sollte sich wenigstens diesen Herrn zu Gemüte führen (und speziell seine beiden ersten Platten "Vorher Nachher Bilder" und "In Hypnose" seien noch einmal ganz dringend empfohlen): Jens Friebe, Neo-Literat und nach Tom Liwa der beste Liederschreiber Deutschlands. Zu trügerisch schunkeligen Melodien tanzt er einmal mehr den Drahtseilakt zwischen besserwisserischem Sarkasmus, Aufrichtigkeit und dem psychischen Abgrund. Etwa wenn er seine Freundin vor die Pyramiden schleppt, ihr predigt, wieviele Menschen sich bei deren Bau zu Tode gequält haben, und ihr dann enttäuscht vorwirft: Aber du freust dich ja gar nicht. Ge-ni-al! (ZickZack/What's So Funny About)

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Jens Friebe

Coverfoto: ZickZack/What's So Funny About

Young Galaxy: "Young Galaxy"

Was für ein Opener: In "Swing Your Heartache" rieseln einem Bass und Orgelschummern derart warm den Rücken runter, dass man die erste Tindersticks-Assoziation gleich wieder vergisst. Der abwechselnde Gesang der beiden Bandköpfe von Young Galaxy, Stephen Ramsay und Catherine McCandless, ist ja auch viel heller als Stuart Staples' unvergleichliche Stimme, und überhaupt wirkt die kanadische Band wie der vertonte Lichtschein am Ende des Tunnels. Zufall? Young Galaxy pflegen in ihren Texten eine unverkennbar spirituelle Ader, und "Lazy Religion" hat im Refrain sogar gospeligen Einschlag. Das Debüt-Album der Labelkollegen von Feist und Stars entfaltet sich in ruhigem und ultraharmonischem Shoegazing - der Bandname ließ nicht umsonst Sphärisches erwarten. (Arts & Crafts/Soulseduction)

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Young Galaxy

Coverfoto: Arts & Crafts

Mark Gardener: "These Beautiful Ghosts"

Apropos Shoegazing: Eine der Bands, als das neo-psychedelische Genre um 1990 seinen Popularitätshöhepunkt erreichte, hieß Ride. Deren pilzköpfiger Leadsänger Mark Gardener hat seitdem einiges an Haaren lassen müssen, die alten Sixties-Harmonien aber nicht vergessen. Den Sound seiner Schwanengesänge hat er zwar auf einen US-Highway verfrachtet und im Autoradio wohl auch fleißig America und Crosby, Stills, Nash & Young gehört - aber keine Angst: das alles durch den Wahrnehmungs- filter eines Briten. Der Reisemief ist rausgenommen, das Gefühl für Weite under a Magdalen sky drin geblieben. Anspieltipp: "Snow in Mexico". (Diamondtraxx/Soulseduction)

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Mark Gardener

Coverfoto: Diamondtraxx

PJ Harvey: "White Chalk"

Als PJ Harvey 1992 mit "Sheela-na-gig" wie eine Naturgewalt die Bühnen der Welt stürmte, war sie gerade mal 22 und wirkte, als wäre sie immer schon dagewesen. Inzwischen hat sie aber andere Saiten aufgezogen - und das an Harfen, Zithern und Klavieren. Die Aufzählung der Instrumente allein zeigt schon, dass es sich bei "White Chalk" um ein ausgesprochen ätherisches Album handelt (und dass mir das Wort mal zu PJ Harvey einfallen würde, hätte ich auch nie gedacht ...). Der Sound ist minimalistisch gehalten, der Gesang - oft in Kopfstimme bis an die Grenzen der vokalen Reichweite - den flehentlichen Klageliedern entsprechend zerbrechlich, doch intensiver denn je. (Universal)

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PJ Harvey

Coverfoto: Island/Universal

TNT Jackson: "Across the Towers"

Von den lautstärksten Mietern im Hause Fabrique hat sich das Wiener Trio zu Bewohnern einer ruhigeren Etage entwickelt - und das interessanterweise im Umweg über Stadtflucht und Sessions im Burgenland. Immer noch stehen TNT Jackson für einen pulsierenden Hybridsound aus Rock, Dance-Pop, Funk und New Wave, im Vergleich zum Vorgängeralbum aber nicht mehr unter Überdruck; am Gesang wird's besonders deutlich. "Queen of Hearts", "I dreamed of Chaka Khan" und "Ours is forever" möchte man beinahe schon distinguiert nennen. Eine unerwartet gelassene, aber sehr gute Platte - nicht nur für Pop-Süßfrühstücker wie mich. (Fabrique/Soulseduction)

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TNT Jackson

Coverfoto: Fabrique

Phillip Boa & the Voodooclub: "Faking to blend in"

Es ist das dritte Album seit der Rückkehr Pia Lundas in den Voodooclub und Herrn Boas Rückbesinnung auf den Krach als Kraftquelle - und mit "Der Rabe" und "The Voodoo" haben sogar zwei weitere Mitglieder der Ur-Besetzung von einst ihre Auftritte. Wie schon in den späten 80ern geht es um rumpelnden Psychedelik-Pop mit einer unbezähmbaren Bassgitarre, Dreschrefrains, ausladenden Synthie-Fluten und dem sympathisch verqueren Zwiegesang von Herrn Boa und Frau Lunda. An prägnanten Songs fehlt's diesmal leider etwas, "Faking to blend in" ist mehr ein nostalgisches Schwelgen in liebgewonnenen Sounds - aber immerhin! (Motor Music/Edel)

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Phillip Boa

Coverfoto: Motor Music

Me Succeeds: "Riemerling"

Vor fünf, sechs Jahren wäre "Riemerling" vielleicht in einer Fülle ähnlich erscheinender Produktionen - seien es Contriva, Lali Puna, Komeit oder Notwist - untergegangen. Und das wäre schade, denn die Platte kann was. Und hat auch weniger mit "Laptop-Folk" zu tun, als der erste Eindruck vorgaukelt: Zwischendurch geben die Wahl-Hamburger mit bayrischen Wurzeln (Riemerling ist eine Siedlung im Landkreis München) nämlich ordentlich Gas, wechseln von sanftem Gesang in resolutes Deklamieren: "We are the screws holding it together!" tönt es selbstbewusst. Und wie ein roter Faden zieht sich der Kontrast zwischen vital pochenden Herzbeats und melancholischen Analog-Synthesizern durch die ganze Platte. (Sunday Service)

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Me Succeeds

Coverfoto: Sunday Service

Pluramon: "The Monstrous Surplus"

... und mit dieser Platte aus Deutschland wäre der ungeplante Shoegazing-Schwerpunkt dieses Monats abgeschlossen. Nachdem ich gerade erst die Langrezension über Pluramon für die Lieblingsplatten-Rubrik geschrieben hab, fällt mir jetzt echt nichts Neues mehr dazu ein, also hier einfach der Link drauf. Dafür eine kurze Vorschau: Beim nächsten Mal kommt eine Werkschau des famosen Labels Tomlab und Neues von der coolsten besten verehrungswürdigsten Rock-Omi der Welt: Debbie Harry. (Karaoke Kalk/Soulseduction)

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Pluramon

Coverfoto: Karaoke Kalk