Der mondäne Kurort hat auch schon bessere Zeiten erlebt. Jedenfalls bekommt man die mitten in die Salzburger Berge verpflanzte Welt der erholungsbedürftigen Reichen nicht zu Gesicht. Was man jedoch zu sehen bekommt, ist das Leben eines jungen Mannes, der für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Gäste zu sorgen hat: Lenz (Albert Paulus, der Bruder des Regisseurs) hält sich als Masseur hier in Badgastein mit Frau und Kind mehr schlecht als recht über Wasser.

Nachsaison ist Wolfram Paulus’ zweiter Langspielfilm, entstanden 1989 nach dem fulminanten Kinodebüt Heidenlöcher und mittlerer Teil der sogenannten Salzburg-Trilogie (die zwei Jahre später mit Ministranten abgeschlossen wird). Obwohl alle drei Filme – im ländlichen Salzburg zu unterschiedlichen Zeiten beheimatet – heute längst als Standardwerke des „Neuen Heimatfilms“ gelten, ist es kein Zufall, dass es Nachsaison im Rückblick in seiner Rezeption am schwierigsten hatte: Er spielt in der Gegenwart der späten Achtziger und thematisiert weder ein dunkles Kapitel in der Geschichte Österreichs (Heidenlöcher) noch eine nostalgische Erinnerung an die Kindheit auf dem Land vor dessen touristischem Ausverkauf (Ministranten). Nachsaison behandelt das gar nicht so schöne Hier und Jetzt, das einfache und dennoch komplizierte Leben eines arbeitenden Mannes. Nicht mehr und nicht weniger, doch bei Paulus ist das zum Glück immer mehr als genug.

Die Nachsaison beherrscht tatsächlich den Ort mit seinem tosenden Wasserfall: Nicht nur das Wetter ist merklich kühl, sondern auch die alten Methoden greifen – während man noch fieberhaft an der Neueröffnung eines Hotels arbeitet – nicht mehr. Es scheint, als ob ein stetes Risiko im Hintergrund das Geschehen beherrschen würde, egal, ob beim Hoteldirektor mit seinen großen Plänen oder beim Masseur mit seinen kleinen Nebengeschäften. Mit Verlust ist zu rechnen, und jeder kämpft hier auf seine Weise. Und vielleicht liegt es wirklich am Schauplatz, dass den meisten der nötige Weitblick fehlt. (Manchmal sieht man erleichtert einen Zug durchs Bild fahren, und tatsächlich erlebt Lenz seine schönsten Momente, wenn er nach Salzburg fährt.)

Doch Paulus interessiert sich nicht für klassisches storytelling, weshalb der Besuch der jungen Dame (Mercedes Echerer), die als Tänzerin bei Lenz in Behandlung ist, am Ende ebenso folgenlos bleiben muss wie die kleineren Gaunereien und Verfehlungen des Masseurs. Diesem starren Szenario entspricht auch Paulus’ Inszenierung: Wie unter einem Brennglas beleuchtet er einzelne Situationen, Abläufe und scheinbare Nichtigkeiten. Eine Methode, die das Fragmentarische zum Prinzip erhebt und an einem daraus resultierenden Gesamtentwurf arbeitet. Und am Ende das Bild eines Menschen zeitigt, dessen Leben nicht nur vom Donnern des Wasserfalls verschluckt wird.

Michael Pekler ist Filmkritiker und -publizist („Falter“, „ray“) sowie Katalogredakteur der Viennale.