Wer die Leitungen anzapft, hat Strom daheim: Kabelgewirr im palästinensischen Flüchtlingslager Burj el-Barajneh in Beirut. Oft verletzen sich Menschen an den Kabeln.

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Beirut/Wien – "Gepriesen sei die Nation, die von Hassan Nasrallah geführt wird", steht auf dem Banner zu Ehren des Hisbollah-Führers, das über die Landstraße gespannt ist. Wer von Saidee, dem libanesischen Dorf inmitten des Bekaa-Tals, zur Brücke am Rande der Ortschaft will, muss unter dem Banner hindurch. Genau hier, auf einem Feld neben der Brücke, begann das Unglück des Tomatenbauers Hussein Ahmez Ibrahim. Es war im Sommer 2006, als der Krieg zwischen der Hisbollah und Israel tobte. Die Israelis hielten den Übergang bei Saidee für strategisch wichtig. Ein Jet griff an. Die Explosion zerstörte die Brücke, die Druckwelle den Traktor Ibrahims. Der ist heute noch kaputt, die Ersatzteile sind unleistbar, schimpft Ibrahim.

Rund ein Jahr nach Kriegsende sind viele Schäden noch nicht behoben. Und doch wird im Land inzwischen viel gebaut. Im schiitischen Viertel Südbeiruts, das besonders hart von den israelischen Angriffen getroffen wurde, werden Häuser gebaut und Straßen renoviert. Im Bekaa-Tal, wo die Menschen vom Kartoffel- und Tomatenanbau leben, werden Brücken geflickt. Ein bunter Mix an Organisationen und Regierungen unterstützt den Wiederaufbau. Die Golfstaaten, die EU, die USA, die Hisbollah. Sie alle investieren, auch in ihre Eigeninteressen. Die Hisbollah kämpft um Wähler, die EU um Sichtbarkeit, die USA um ihren Ruf. Die Aufbauhelfer verstehen ihr Geschäft, verträumte Weltverbesserer trifft man nicht.

Da ist etwa Abdallah Hadla. Der kleine, dickliche Herr, ist Vizebürgermeister von Machgara, einer Stadt südöstlich von Beirut. Hadla ist vermutlich einer jener Männer, an dessen Beispiel sich der_Erfolg der Hisbollah im Libanon erklären lässt. Weil der Staat wenig Geld hat, kümmerte sich in Machgara die Hisbollah um den Wiederaufbau. 10.000 Dollar habe jede Familie bekommen, erzählt Hadla, was auch der christliche Bürgermeister Machgaras, bestätigt.

"Verteidigungskrieg"

Der Gemeinderat der Stadt, in dem neben der Hisbollah Maronniten, Kommunisten und Orthodoxe sitzen, zollt der Hisbollah dafür heute Respekt, dass sie die Lücken, die der Staat ließ, stopfen konnte. Woher das Geld kam – aus Syrien und dem Iran, sagt man im Westen –, ist da eher nebensächlich. Auch der "Verteidigungskrieg" gegen Israel findet nur Lob. Dass die acht Menschen, die bei den Angriffen in Machgara starben, heute noch leben würden, hätte die Hisbollah damals nicht zwei Soldaten entführt, will niemand hören.

Schauplatzwechsel. In einem Beiruter Nobelrestaurant spricht Alain Robyns, Chef des European Community Humanitarian Office (Echo), über den Wiederaufbau. Der Experte aus Belgien wirkt eher wie ein Konzernmanager als ein Entwicklungshelfer. Er verwaltet für die EU 50 Millionen Euro. Und doch kämpft er damit, dass die Projekte der EU kaum wahrgenommen werden. Saudi-Arabien, der Hauptinvestor, würde im Südlibanon ganze Stadtteile neu errichten. Auch über die US-Hilfe werde berichtet.

Dagegen würden die EU-Staaten die Hilfszusagen meist im Namen der eigenen Regierung abgeben anstatt für die Union. Dass auch Brüssel ein Big Player beim Wiederaufbau sei, würden daher nur die wenigsten Menschen mitbekommen. Der Ruf der EU sei dennoch besser als jener der USA. Denn schließlich waren es vor allem amerikanische Bomben, die 2006 von den Israelis abgeworfen wurden. (András Szigetvari/DER STANDARD, Printausgabe, 28.9.2007)