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Mehr Fachkräfte durch längeres Arbeiten und die Abschaffung automatischer Gehaltsvorrückungen: Diese Vorstellungen äußerte Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl drei Tage vor Beginn der heurigen Metaller-Lohnrunde.

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Wien – Die Zurufe von Sozialminister Erwin Buchinger und Bahn-Gewerkschafter Wilhelm Haberzettl in Richtung Verhandler der Metaller-Lohnrunde verurteilt Christoph Leitl, mit eigenen Vorstellungen wartet der Wirtschaftskammerpräsident aber sehr wohl auf. Drei Tage vor Beginn der Gespräche zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, stellt Leitl die automatischen Gehaltsvorrückungen infrage.

"Ich bin für ein ausgewogenes Lebenseinkommen. Das Senioritätsprinzip sollte wegfallen, die automatische Steigerung im Zuge der Kollektivvertragsverhandlungen für den Arbeitsmarkt der Zukunft abgeschafft werden", erklärte der Wirtschaftskammerchef Dienstagabend vor Journalisten. Das Problem war vor zehn Jahren bereits von den Verhandlern erkannt worden. Damals einigte man sich, die Zahl der zweijährlichen Sprünge (Biennien) nur noch fünf- statt davor achtmal zu gewähren. Im Gegenzug wurden die Einstiegsgehälter erhöht. Allerdings existieren in zahlreichen Branchen nach wie vor automatische Verdienstanhebungen.

Konkrete Anregungen für die Höhe des Metaller-Abschlusses waren Leitl nicht zu entringen. Nur so viel: Laut einer Erhebung der Notenbank erwirtschafte die Hälfte der Betriebe keinen Gewinn, weshalb wieder ein "Modell des vernünftigen Ausgleichs" gefunden werden solle. Im Vorjahr wurde ja erstmals eine gewinnabhängige Prämie von 100 Euro vereinbart. Heuer kommen dazu aus der Gewerkschaft ablehnende Töne, weil die Einmalzahlung "nicht nachhaltig" sei.

Angeheizt wurde die Debatte durch die moderate Entwicklung der Einkommen, die laut Wifo heute niedriger sind als 1991. Das ist freilich etwas verzerrend, weil die durchschnittlichen Nettobezüge nach dem EU-Beitritt deutlich sanken, seither aber kontinuierlich zulegen. Wifo-Experte Alois Guger verweist zudem auf die Zunahme der Teilzeit, die statistisch die Durchschnittseinkommen drückt, obwohl die Haushaltseinkommen durch die wachsende Frauenbeschäftigung steigen.

Leitl wies darauf hin, dass auch der Vergleich der (steigenden) Kapitalquote mit der (sinkenden) Lohnquote falsch interpretiert werde. Neben dem Teilzeit-Aspekt drücke auch die Dynamik bei freien Berufen die Lohnquote, ohne dass es deshalb zu einer Verschlechterung der Einkommenssituation komme.

Die Wirtschaftskammer weist überdies auf eine andere statistische Unschärfe hin: Zinsen, Erträge aus Lebensversicherungen oder Fonds werden dem Kapitalsektor zugewiesen, auch wenn die Gewinne den Arbeitnehmern zufließen. (as, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.09.2007)