Wegen fahrlässiger oder vorsätzlicher Gemeingefährdung könnten Alkolenker künftig vor dem Strafrichter stehen, und zwar dann, wenn sie von der Polizei erwischt werden, und nicht – wie bisher – erst dann, wenn ein Unfall mit Personenschaden passiert ist. Das berichtete der ORF am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. Laut Justizministerin Maria Berger könnte es in Ausnahmefällen sogar Haftstrafen geben.

Die Justizministerin präzisierte gegenüber der APA ihre Vorstellungen zu den Strafen, die sie als Teil der vom Verkehrsminister angestrebten Verschärfung der Sanktionen sieht. "Es ist die Frage, ob man am oberen Ende der Palette auf juristische Strafen zurückgreift." Deshalb wird auch ein Vertreter des Justizministeriums zur Arbeitsgruppe entsandt, die ab Freitag über die Verschärfung der Verkehrsstrafen beraten wird. "Dies ist alles lediglich andiskutiert und wir arbeiten auch nicht an konkreten Vorschlägen", so Berger. Der Anteil der Justiz soll Teil eines sinnvollen Gesamtkonzepts sein.

Erstrebenswert erscheint der Ressortchefin etwa, dass Alkolenker auch zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen werden können. "Die Idee dahinter ist, dass sie sehen, wie Unfallopfer aussehen oder wie es nach einem Unfall auf der Straße aussieht." Haupt- und Nebenstrafen würden vom Strafrichter verhängt, wodurch man einen etwaigen Führerscheinentzug sicherstellen könnte.

KfV: Wenig Zustimmung

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) befürchtet, dass sich diese Maßnahme positiv für die Sünder auswirken könnte. Dass Alkolenker ab einem bestimmten Grad der Betrunkenheit wegen fahrlässiger oder vorsätzlicher Gemeingefährdung vor dem Strafrichter stehen sollten, diese Forderung wird laut KfV-Chef Othmar Thann alle drei, vier Jahre erhoben. Auch wenn Deutschland eine derartige Regelung besitzt, könnte dies nicht ohne weiteres auf Österreich mit seinem anderen Rechtssystem umgelegt werden, warnte der Fachmann.

Laut KfV sieht das Justizstrafrecht nämlich für Ersttäter immer eine bedingte Strafe vor – auf diesen "Milderungsgrund" habe man einen Rechtsanspruch. Während Alkolenker durch das Verwaltungsstrafrecht eine unbedingte Geldstrafe samt Führerscheinentzug erwarten, käme ein Alkolenker selbst mit mehr als drei Promille vor dem Strafrichter mit einer bedingten Geldstrafe davon – und könnte den Führerschein auch noch behalten.

Der Entzug der Fahrerlaubnis wäre eine Strafe – und Doppelstrafen (bedingte Geldstrafe und Führerscheinentzug, Anm.) seien verboten. "Das wäre positiv für den Täter – und das würde wohl niemandem gefallen." In Deutschland hingegen, wo sich Alkolenker ab einem Promille vor dem Strafrichter verantworten müssen, würde ein Fahrverbot als "Auflage" zusätzlich verhängt. Das sei eine andere rechtliche Konstruktion, so der KfV-Chef. Zudem seien derartige Vorstöße laut Thann in der Vergangenheit von der Richterschaft vehement abgelehnt worden. Schließlich würde dies eine massive zusätzlich Arbeitsbelastung bedeuten. Alleine im ersten Halbjahr 2007 wurden vom Innenministerium 15.937 Anzeigen wegen einer Alkoholisierung von über 0,8 Promille erstattet.

ÖAMTC: Haftstrafen als letzte Konsequenz

"Haftstrafen für Alkolenker könnten eine letzte Konsequenz sein", meinte Mario Rohracher, Chef der ÖAMTC-Interessenvertretung. Schwerst alkoholisierte Lenker sollten ab einem hohen Promillewert sehr wohl gerichtlich belangt werden können. "Was bei uneinsichtigen Wiederholungstätern in letzter Konsequenz zur Haftstrafe führen kann", so Rohracher.

"Wer trinkt, hat nicht zu fahren. Stark alkoholisiertes Lenken eines Fahrzeugs kommt wegen des Risikos einer fahrlässigen Tötung gleich", so die Verkehrssprecherin der Grünen, Gabriela Moser. Sie unterstützt die Justizministerin.

Martin Blum vom VCÖ meint: "Alkoholisierte Lenker haben in den letzten Jahren ein Blutbad angerichtet." Der Vorschlag, Haftstrafen vorzusehen sei begrüßenswert.

Den "Gipfel der Blödheit" ortete BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz: "Einerseits beklagt diese rote Politkommissarin die übervollen Haftanstalten und will Schwerverbrecher und Kinderschänder mit ihrem Haftentlassungspaket freisetzen, andererseits will sie Autofahrer einsperren."

Richtervereinigung: "Enorme Arbeitsbelastung"

Die Präsidentin der Richtervereinigung Barbara Helige sagte gegenüber der APA: "Prinzipiell reicht das derzeitige Gesetz aus." Wenn es genug Personal gäbe, dann wäre prinzipiell zwar alles machbar, "aber ich warne davor, dass man immer mehr Tatbestände schafft, die sich enorm auf die Arbeitsbelastung der Gerichte auswirkt." (APA/red)