Ein Motorroller, extrem nüchtern betrachtet: Der S-Wing von Honda.

foto: sulzbacher

Jö, ein Roller! Ich freu mich schon auf das erste Posting, das lauten wird: "Raunz, suder, in Thailand kostet so ein Roller fast nix und ist genau das gleiche Graffel!"Ich sag es gleich: Der getestete Honda S-Wing kostet mindestens 3990 Euronen. Und was ich noch gleich sag: Der Roller hat mit den Garküchen-Curry-Rollern genau gar nix gemeinsam. Ich sag nur: CBS-ABS, dann aber um 4490 Euro.

Genau. Honda baut in einen 125er-Roller nun eine ABS-Kombinationsbremse ein. Was bis dato Motorrädern der gehobenen Klasse vorbehalten war, findet Einzug in den Alltag.

Honda orientiert sich mit dem Roller aber auch nicht an Herrn und Frau Eigentlich-wollte-ich-ein-Fahrrad,-bin-aber-zu-faul-zum-Treten, sondern stellt mit dem S-Wing einen "Executive Business Class Scooter" auf die Straße, der alle Stückerln spielt. Zielgruppe sind Berufspendler, die Wert auf Qualität und Prestige legen. Fahrkomfort, Wirtschaftlichkeit, Funktionalität und zeitlos moderner Look – so heißt das im Hondajargon.

Fangen wir beim "zeitlos modernen Look"an – dem Design. Dass der S-Wing ein komisches Gschau hat, kommt nicht von ungefähr. Da liegt eine Absicht dahinter, die Honda "F.A.C.E."nennt. Grundgedanke hinter F.A.C.E. ist, dass Fahrzeuge, die ähnliche Züge wie ein Gesicht aufweisen, besser wahrgenommen werden. Deshalb also die großen Multireflektor-Doppelscheinwerfer.

Mich erinnert die Gesichtsgebung ja ein bisserl an eine asiatische Mickey Mouse, die grad Dagobert Duck nackt gesehen hat. Aber angeblich schau ich ja sehr ähnlich drein, wenn ich wieder einmal vergessen hab, die Wurstsemmeln für die Redaktion zu holen. Sehr einprägsam, jedenfalls.

Einprägsam ist natürlich auch die Bremserei. CBS ist serienmäßig, CBS-ABS kann geordert werden. Die ausgezeichnete Bremsanlage verleitet einen Deppen wie mich natürlich zu digitalen Bremsmanövern. Auf gut Deutsch: Es gibt nur offene Bremsen (0) oder voll angezogene Bremsen (1).

Da unnotwendige Notbremsungen in der Stadt aber nicht schon im Vorhinein vom Hinterherfahrenden abgeschätzt werden können, empfiehlt es sich, vor jedem digitalen Bremsmanöver einen Blick in den Rückspiegel zu werfen. Sonst fährt man erst wieder bei der roten Ampel über die Kreuzung, aber nicht, weil die Bremsen versagt haben, sondern weil einem der nachfolgende Verkehr in abgeänderter Pfadfindermanier über die Straße hilft.

Die Staufächer am Executive Business Class Roller sind mehr als ausreichend, um Aktentasche, Zahnbürstel und mehrere hundert Ersatzkrawatten mitzuführen. Echte Freaks können unter dem Sitzbankerl aber auch zwei Helme verstecken. (Oder Anzug und Hemd. Knitterfest halt… mfgux ;-)

>>> Korrektes Raum-Zeit-Kontinuum

Im Zubehörkatalog gibt es auch noch ein 35 Liter fassendes Topcase, das am serienmäßigen Kunststoff-Gepäckträger mit Schnellmontagevorrichtung und Sozius-Haltegriffen rasch angedübelt werden kann. Kriegt man locker ein paar Ersatzschucherl rein, falls man mit braunen Bock das Haus verlässt und vor 18:00 Uhr nimmer Heim kommt.

Ohne Topcase schmeißt man sich einfach ein paar Minuten vorher auf den Roller und presst nach Hause. Mit 9,7 kW Leistung und einem Drehmoment von mehr als elf Nm aus den 125 Kubikzentimetern Hubraum geht das eh flott. Gut, ob der Beschleunigung hat man, wenn man grad von einer sportlichen 600er steigt, nicht den Eindruck, dass sich das Raum-Zeit-Kontinuum verschiebt, aber als flink würde ich den Antritt ohne weiteres bezeichnen.

Flink geht der S-Wien auch um die Kurven. Mit dem 13-Zoll-Radl vorne und dem Zwölfzoller hinten hat Honda ein tolles Handling zusammengebracht. Die 33-mm-Teleskopgabel vorne mit ihren 85,7 mm Federweg ist ebenso auf der komfortablen Seite wie die beiden Federbeine hinten mit 98,1 mm Federweg. Durchgeschlagen haben die Federelemente allerdings nie. Von zu weich also keine Spur. Dabei wurde der Roller im Test nicht gerade geschont, sondern kurvengeschunden.

An das schreiende Geräusch vom aufsetzenden Hauptständer gewöhnt man sich eh rasch. Und weil das Fahrwerk solche Spielereien locker mitmacht, wäre die erste Aufgabe für mich, würde die Honda mein sein, den Hauptständer so zusammenzuschleifen, dass er nimmer als das funktioniert, wofür er gedacht ist. (Dafür würd er dann nicht mehr um die Kurve schreien. Wär doch schad, wenn du das wieder selbst machen musst… mfgux ;-)

Ich tät den S-Wing dann einfach am Seitenständer abstellen und mich freuen. Gewichtsoptimierung heißt das dann. Meine Holde überlegt übrigens auch, mich regelmäßig über die Straße zu schleifen. (Und welchen Sinn soll es haben, bei dir den Hauptständer abzuschleifen? Mfgux ;-) Vielleicht fang ich doch mit einem Sport an, bevor die Lederkombi noch weiter eingeht. (Text: Guido Gluschitsch, Fotos: Martin Sulzbacher, derStandard.at, 27.9.2007)

Guido Gluschitsch ist Redakteur beim Motorradmagazin.