Für Brustkrebspatientinnen sind onkologische Abteilungen plötzlich Lebensmittelpunkt

Grafik: MEDSTANDARD/Med Uni Bonn
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung der Frau, die Diagnose trifft sie im Durchschnitt mit 70 Jahren. Erkennt man ein Mammakarzinom im frühesten Stadium, "ist der Brustkrebs eine beherrschbare Erkrankung", sagt der Wiener Tumorchirurg Michael Gnant, Präsident der Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group (ABCSG).

Die ABCSG ist die führende Forschungsgruppe in Österreich, sie führt seit 1984 Studien durch, bisher wurden 16.000 Teilnehmende betreut.

Eine chronische Erkrankung

Vier von fünf Erkrankungen werden in Österreich durch Mammografie und Ultraschall in einem heilbaren Stadium diagnostiziert. "Heilung" sei im Zusammenhang mit Brustkrebs aber ein Wort, "das man nur mit großer Demut verwenden soll", sagt Gnant. Denn Brustkrebs weise die Charakteristik einer chronischen Erkrankung auf. Einer Erkrankung, "die man nicht besiegen, aber in Schach halten kann", beschreibt der Wiener Gynäkologe Ernst Kubista. "Man ist nicht gesund, aber krankheitsfrei, und manchmal ziehen sich die krankheitsfreien Intervalle über ein ganzes Leben." Gnant: "Langfristige Nachsorge ist notwendig".

Hormonabhängige Erkrankung

Brustkrebs ist keine einheitliche Erkrankung. Die Tumoren unterscheiden sich in Ursache und Prognose. Drei Viertel der Patientinnen leiden an einer hormonabhängigen Form der Erkrankung. "Genetisch verursachter Brustkrebs wird überschätzt", sagt Gnant, "19 von 20 Betroffenen haben kein Brustkrebsgen". Beim hormonabhängigen Brustkrebs ist das weibliche Geschlechtshormon Östrogen die Wachstumsquelle. Österreichische Forscher setzen auf Anti-Hormon-Therapien.

Östrogene entziehen

Als Alternative oder Ergänzung zur Chemotherapie wird die Anti-Hormon-Therapie angewandt. Ziel ist, den Krebszellen das wachstumsfördernde Östrogen zu entziehen. Gnant: "Wir haben bewiesen, dass man bei etwa der Hälfte der Patientinnen auf die Chemotherapie verzichten kann". Mit molekularbiologischen Methoden wird nicht nur das Risiko einer Patientin bestimmt, sondern auch die Art des Tumors, um dann maßgeschneidert zu therapieren.

Therapie mit Aromatase-Hemmern

30 Jahre lang war die Selektive Östrogenrezeptormodulation SERM Standard der Anti-Hormon-Therapie. Antiöstrogene blockieren den Rezeptor für das Hormon an den Brustkrebszellen. Eine neue Form ist die Therapie mit Aromatase-Hemmern. Sie hemmen das Enzym Aromatase, das bei Frauen nach der Menopause für die Östrogenproduktion außerhalb der Eierstöcke zuständig ist.

Nebenwirkung Osteoporose

Durch Aromatase-Hemmer wird die Gesamtmenge an Östrogen im Körper reduziert. Einzige bislang bekannte Nebenwirkung ist das Osteoporose-Risiko, das sei aber durch gesunde Ernährung, Bewegung und Knochendichtemessungen "in den Griff zu bekommen", so Ernst Kubista. Ein Schutzmedikament sei kurz vor der Zulassung, ergänzt Gnant. Das Rezidivrisiko nach einer Anti-Hormon-Therapie besteht aber "jahrzehntelang, wenn nicht lebenslang", sagt Kubista. Die Wirkung von Aromastase-Hemmern nach der Menopause ist erwiesen. Ob die Therapie auch jungen Frauen hilft, wird eine österreichische Studie, auf die, so Gnant, "die ganze Welt wartet", zeigen.

Hormonersatztherapie und Brustkrebsrisiko

Hormonabhängiger Brustkrebs wird auch mit der oft propagierten Hormonersatztherapie bei Wechselbeschwerden in Verbindung gebracht. Seit eine große US-amerikanische Studie (Women's Health Initiative - WHI) den Zusammenhang von Hormongaben und Brustkrebs nachgewiesen hat und Ärzte weniger Hormone verschreiben, sank die Zahl der Neuerkrankungen zwischen sieben und elf Prozent, sagt Gnant.

Aktuelle Statistiken liegen aber nicht vor. Gnant: "Jahrelange Verabreichung von Hochdosis-Präparaten gegen Wechselbeschwerden ist nicht sinnvoll." (Jutta Berger, MEDSTANDARD, Printausgabe, 24.09.2007)