Alfred Gusenbauer gibt sich leger, UN-Klimareferent Yvo de Boer weitaus offizieller.

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New York - Auf höchster Ebene beraten heute am Sitz der Vereinten Nationen in New York mehr als 70 Staats- und Regierungschefs über den Kampf gegen den Klimawandel, unter ihnen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Er ist einer von 16 Covorsitzenden des UNO-Klimagipfel, der einen Tag vor der Eröffnung der UN-Generalversammlung stattfindet. Gusenbauer leitet mit der chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet gemeinsam die Vormittagssession eines der vier Arbeitskreise. "Es wird unglaublich schwierig sein, die verschiedenen Standpunkte zusammenzuführen", erklärte Gusenbauer am Sonntag bei einem Pressebriefing mit österreichischen Journalisten in New York. "Es gibt nämlich zur Rettung vor den drohenden immensen Klimaproblemen keine andere Alternative als ein gemeinsames, globales Vorgehen in der Sache, und zwar im Rahmen der Vereinten Nationen. Das werden auch die USA erkennen müssen."

Bush-Affront durch "Gegengipfel"

Obwohl der Klimagipfel in New York stattfindet, wird er von der US-Regierung nicht unterstützt. US-Präsident George W. Bush hat für Donnerstag und Freitag zu einem "Gegengipfel" in Washington geladen. Der UNO geht es um einen international bindenden Nachfolgevertrag zum Kyoto-Protokoll. US-Präsident Bush will hingegen von bindenden Emissionsgrenzen nichts wissen und setzt auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Länder.

Debatten am Montag

Nach einem letzten vorbereitenden Treffen mit dem Exekutivsekretär des UN-Klimasekretariats UNFCCC, Yvo de Boer, definierte Gusenbauer die verschiedenen Standpunkte, mit denen am Montag in den Debatten zu rechnen sein wird; zum einen die Entwicklungsländer, die ihr wirtschaftliches Wachstumstempo zumindest halten wollen - sie haben wenig Verständnis für strenge, womöglich arg bremsende klimapolitische Auflagen; zum anderen die EU-Länder, die gemeinsam nur zu 14 Prozent für die CO2-Emissionen verantwortlich sind (2010 werden es nur noch 10 Prozent sein). "Die EU allein wird die Welt nicht retten können, wir müssen viele andere Partner gewinnen, um dies zu schaffen", so der Bundeskanzler. Der dritte Problemfaktor seien nicht zuletzt die USA, die am Weg zu einer Einigung die größten Hindernisse aufwerfen dürften.

Problemdruck

"Wir müssen unbedingt eine Dynamik internationalen Ausmaßes erreichen", meinte Gusenbauer, "der Problemdruck ist hinreichend bewiesen worden, daher müssen wir zügig handeln." In Richtung Entwicklungsländer würden die reichen Industriestaaten nicht umhin kommen, modernste Technologien und Konzepte zu annehmbaren Preisen weiterzugeben. "Ich denke, dass das auf Investmentebene und nicht sosehr auf Entwicklungshilfeebene zu erfolgen hat", so der Bundeskanzler.

Zwar hat es in den vergangenen Wochen und Monaten - spätestens seit dem G-8-Gipfel im norddeutschen Seebad Heiligendamm - Signale des Ausgleichs zuwischen den USA und der UNO gegeben, doch von einer Einigung sei man noch weit entfernt, konstatierte der Regierungschef. "Ich werde alles daran setzen, die Partner in der UNO zu motivieren, weitere Schritte zu gehen. Wann soll das sonst geschehen, wenn nicht hier und jetzt in New York, wo Dutzende Staats- und Regierungschefs anwesend sind?"

"Universelle, globale Strategie"

Als Ergebnis der eintägigen Klimakonferenz erhofft sich Gusenbauer seine schon wiederholt propagierte "internationale Dynamik". "Es wird wesentlich für den Erfolg im Kampf gegen den Klimawandel sein, eine universelle, globale Strategie zu entwickeln. Nur dann können die einzelnen verantwortlichen Politiker ihre Bevölkerung hinter sich versammeln und glaubwürdig sein. Die Klimarettung kann nur gemeinsam funktionieren, und nicht bilateral. Und in der Sache ist jetzt sogar in den USA ein Umdenken spürbar geworden," gab sich der Bundeskanzler verhalten optimistisch.

Sein Ziel für den von ihm geleiteten Klimagipfel sieht er in einer konkreten, zusammenfassenden Erklärung durch UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon. "Und dann können wir in Bali konkret und offiziell zu verhandeln und zu arbeiten beginnen", so Gusenbauer mit Hinweis auf die entscheidende Weltklimakonferenz ab 3. Dezember, die ein Nachfolgeabkommen zu jenem von Kyoto entwickeln soll.

Kritik aus Wien

Grüne und BZÖ rügten Gusenbauer für von ihnen diagnostizierte Versäumnisse in der heimischen Umweltpolitik, während die ÖVP sich daran rieb, dass Gusenbauer nicht, wie es tagelang den Eindruck hatte, die Konferenz leitet, sondern lediglich einen ihrer Arbeitskreise.

"Wenn sich der Bundeskanzler beim UNO-Gipfel als Kämpfer für den Klimaschutz präsentiert, so sollte er zuvor die Hausaufgaben im Klimaschutz in Österreich machen" forderte die Umweltsprecherin der Grünen, Ruperta Lichtenecker, die die bisherige Klimaschutz-Bilanz der Regierung schlicht "miserabel" findet: "Ein Klimagipfel ohne Konsequenzen, ein Klimafonds ohne Programm, leere Versprechungen und Ankündigungen - aber kein Gramm C02 weniger", monierte Lichtenegger in einer Aussendung. Gusenbauer betone dagegen in New York, "wie toll es in Österreich läuft. Das stellt sich die Frage: Wo lebt der Bundeskanzler."

Auch die stellvertretende Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig schlägt in dieselbe Kerbe: "Dass Bundeskanzler Gusenbauer sich bei der Klimakonferenz in New York als großer Held für den Klimaschutz aufspielt, ist angesichts der kläglichen Klimabilanz Österreichs nicht ernst zu nehmen." kritisiert sie in einer Aussendung. "Österreich ist anders als von Gusenbauer behauptet keineswegs 'vorne dabei' beim Klimaschutz. Neben einer deutlichen Anhebung der Ökostromförderung besteht vor allem im Verkehrsbereich akuter Handlungsbedarf", fordert Glawischnig einmal mehr, die Bundesregierung sollte ihre gesamte Fahrzeugflotte auf klimaschonende Autos umstellen. "Es kann nicht sein, dass sich Bundeskanzler und Minister in klimaschädlichen Spritfressern durchs Land chauffieren lassen, während sie von der Bevölkerung eine Spritsparoffensive verlangen", so Glawischnig.

"Während Umweltminister (Josef) Pröll daran arbeitet, beim Klimaschutz für Österreich etwas weiter zu bringen, inszeniert sich Gusenbauer wieder einmal mit Show-Auftritten", konstatierte der Umweltsprecher von des Kanzlers Koalitionspartner ÖVP, Karlheinz Kopf. "Gusenbauer erdreistet sich sogar, sich selbst als Leiter des Klimagipfels zu vermarkten, obwohl er tatsächlich nur einer von 16 Stellvertretern ist und nur eine Arbeitsgruppe führt", kritisierte Kopf in einer Aussendung die aus seiner Sicht "gähnende Inhaltsleere" des Regierungschefs in wichtigen Zukunftsfragen.

Bankrotterklärung

"Was die Regierung bisher zum Thema Umwelt und Klima von sich gegeben hat, ist eigentlich eine Bankrotterklärung in Sachen Klimaschutz", wollte auch BZÖ-Umweltsprecher Veit Schalle angesichts des UNO-Klimagipfels nicht zurückstehen. Der Bundeskanzler hat für Schalle "das Thema Klimaschutz bisher wie ein Stiefkind weggelegt", unter Gusenbauer entferne sich Österreich noch weiter von einer Reduktion der CO2-Emissionen: "Gusenbauer soll nicht in New York den Paradeumweltschützer mimen, sondern in Österreich Taten setzen." Österreich habe die Pflicht, beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle zu übernehmen, das BZÖ habe "bereits ein 20punktiges Klimaschutzprogramm" in den Nationalrat eingebracht, erinnerte Schalle. (APA)