Zehn Jahre nach der Festnahme des Briefbombers wird Karl Markovics für den ORF zu Franz Fuchs.

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Hochintelligent, mit mörderischen Ängsten: Auch das war Franz Fuchs.

Zeitgeschichte anschaulich machen und nicht vertheatern: Was das bedeuten kann, veranschaulicht ein ORF-Dokudrama, das die österreichische Filmemacherin Elisabeth Scharang anlässlich eines sehr speziellen Jubiläums weniger inszeniert denn aus Originalmaterial kondensiert hat.

Zehn Jahre sind vergangen, seitdem zwei Frauen im südsteirischen Ort Gralla verängstigt bei der Polizei angerufen haben: Sie würden von einem Autofahrer verfolgt. Als Beamte den Lenker, Franz Fuchs, kontrollieren wollten, zündete der eine Rohrbombe. Doch statt sich selbst zu töten, riss es ihm nur beide Unterarme ab.

Entlang der Frage, wer das nun war, dieser "Patriot" und Terrorist, greift Scharang einerseits auf dokumentarisches Material aus Nachrichtensendungen zurück, befragt Kriminalisten, Gefängniswärter, Juristen und Politiker, die damals mit dem Fall Fuchs befasst waren, und lässt, last, but not least, Karl Markovics jene protokollierten Verhöre und Lebensmomente nachspielen, von denen anschauliches Material nicht existiert.

Psychogramm

Das Resultat: Ein exzellentes, unterkühltes Psychogramm eines lächerlichen, auf seine Weise selbstbewussten, dann wieder von Ängsten geplagten, kleinkarierten, hochintelligenten Mannes, der mit dem Berufswunsch "Quantenphysiker" zu mehr berufen schien und letztlich nur mehr Verheerung in die Welt brachte als so manch anderer aus der Kleinhäuslerwelt, zu der Franz Fuchs von Anfang an lebenslang verurteilt schien.

Zwei Szenen mögen verdeutlichen, wie behutsam und wie wenig spekulativ Scharang sich ihrem Sujet nähert: Die eine, der Rohrbombenanschlag in Oberwart, reduziert sich auf wenig mehr als eine Tafel - "ROMA zurück nach INDIEN" -, die vier Männer zu entfernen versuchen. Man sieht in einem langsamen Schwenk noch ihre Gesichter, bevor mit einem markerschütternden Krach die "Spielhandlung" in verwackelte TV-Bilder notdürftig bedeckter Leichen umkippt.

Nicht weniger sparsam und nicht weniger beredt in der Erzählung von gewalttätigen Zusammenhängen jene Luftaufnahme dreier Autos am Straßenrand, mit der Scharang die Verhaftung filmisch auflöst: Ein ungeheurer, distanzierter Blick auf zwei Polizisten, die eine Autotür öffnen. Ein Mann, der beim Aussteigen mit etwas zu hantieren scheint, wieder ein Krach, diesmal aus weiter Ferne, und der offenbar Verstümmelte bei seinem letzten Fluchtversuch.

Leitmotiv

Dass Fuchs seiner beiden Hände verlustig ging, das Bild der bandagierten Armstümpfe und die vergleichsweise unmenschlich anmutenden Prothesen, die er am Ende noch zugesprochen erhielt - dies wird in "Franz Fuchs - Ein Patriot" gewissermaßen zum Leitmotiv für eine Existenz, die schwer zu fassen ist, geschweige denn, dass dieser Mann, der so akribisch an explosiven Schaltplänen und Mikro-Apparaturen gearbeitet hat, sich selbst in den Griff bekommen hätte.

Befragt, wie er mit den Todesopfern und Verletzten umgehe, die er verursacht habe, spricht Markovics einmal folgende Passage aus einem Fuchs-Verhör: "Wenn ich nicht darüber nachdenke, geht es mir gut. Dann bin ich so wie früher. Aber wenn ich darüber nachdenke, geht es mir wie einem Luftballon, dem die Luft ausgeht."

Auch dieser Film vollbringt, ähnlich Romuald Karmakars "Der Totmacher", Unüberschätzbares: In Zeiten, in denen sich die Nation gerade wieder durchaus wollüstig über mögliche und unmögliche "Terrorgefahr" erhitzt (am liebsten von der Seite der "Anderen", Fremden), zeigt der Film zuallererst einmal: Das Problem sind Xenophobie gepaart mit medial aufbereiteten Feindbildern. Am 2. Oktober feiert dieser kühne, kühle Film seine Premiere auf ORF 2. (Claus Philipp/DER STANDARD – Printausgabe, 24.9.2007)