Sting und The Police beharren in der Wiener Stadthalle auf ihrem Recht auf festes Feiern im Jahr 1983. 20 Songs und zwei Stunden lang, von "Message In A Bottle" über "De Do Do Do De Da Da Da" und "Roxanne" bis zu "Every Breath You Take".

Foto: Heribert Corn

Wien – Die Erwartung, dass eine Sache sich selbst immer ähnlich bleibt, ist ein Grundrecht aller alt werdenden Leute. Die Art, wie man demgemäß neue Erscheinungen verurteilt, kann als Zeichen der eigenen Veralterung gewertet werden. Stichwort: Früher war alles ... Und die Jugend ist doof. Deshalb ist laut Wilhelm Genazino in seiner damals – parallel zu Outlandos d’Amour und Regatta de Blanc, den tollen ersten beiden Alben von The Police – Ende der 70er-Jahre entstandenen fabelhaften Romantrilogie Abschaffel ein Plattenspieler auch kein gutes Gerät. Es bringt die Menschen dazu, sich immer wieder dieselben Lieder anzuhören! Die Wiederholung bis hin zum Zwang produziert neben einigen unangenehmen Nebenwirkungen wie Columbo am Sonntag im ORF schließlich auch vermeintliche Sicherheit. Wie aber soll das Leben weitergehen, wenn es stillsteht?

Das Tröstliche bei einem Konzert der mittlerweile seit Mai auf Welttournee befindlichen rüstigen Herren von The Police scheint demnach auch darin begründet zu liegen, dass man an seine vermeintlich goldenen Jugendtage erinnert wird. Und man muss sich beim Besuch der Wiener Stadthalle auch nicht dafür schämen, dass man sich nie verändert und 1984 aufgehört hat, Platten zu kaufen. Immerhin hören die wegen der zünftigen Kartenpreise heute daheim gebliebenen Jungen auch nichts anderes als die von mindestens äußerst geschichtsbewussten heutigen Musikern wie Franz Ferdinand betriebene Neusichtung nur scheinbar abgewohnter New-Wave- und Chrom-Leder-Glastisch-Landschaften. Ein Teufelskreis am Ende der Moderne. Die Jungen hören die Musik ihrer Eltern!

Das behagt dem ehemaligen Lehrer Sting auf der Bühne sehr. Wer behält nicht gern Recht, wenn er rechtzeitig gegen Ende einer im Kunsthandwerksschmock elisabethanischer Lautenmusik versandenden Solokarriere mit der Rückkehr zum Start so tut, als ob nix geschehen wäre? Weil: Die hohe Stirn ist ja nur vorübergehend. Sie kommt vom vielen Schwitzen auf der Bühne. Für immer jung!

Während Sting sich und seine Arbeitskollegen Stewart Copeland am Schlagzeug und Andy Summers an der Gitarre im Gegensatz zum energiegeladenen Europatourstart in Stockholm vor zwei Wochen (der Standard berichtete) hier in Wien manchmal etwas gar kraftlos und verbissen lächelnd durch einen Dienst nach Vorschrift schwindeln, wird das Problem dieser erfolgreichsten Band der 80er-Jahre ganz beiläufig offensichtlich. Wer sich und dem eine Maturaparty 1983 nachstellenden Publikum nichts zutraut, geht auf Nummer sicher – und spielt seit dem Tourstart im Mai mit einer einzigen Liedausnahme unverändert täglich dieselben 20 Songs in exakt derselben Reihenfolge: http://thepolicetour 2007.blogspot.com . Natürlich wird das langweilig. Sting hat die Lieder immerhin selbst geschrieben!

Ausnahmen bestätigen die Regel: Ab der Halbzeit mit einem fröhlich swingenden Every Little Thing She Does Is Magic läuteten The Police den Countdown bis zum unvermeidlichen und auf Autopilot gespielten Every Breath You Take ein. Can’t Stand Losing You klang kernig und explosiv, Roxanne tapfer (muss ja!), King Of Pain zynischer denn je, So Lonely dringend. Eines hat sich im Gegensatz zu früher allerdings entschieden geändert: Gitarrensoli waren früher definitiv verboten! Aber echt. (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 21.09.2007)

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