Gilbert Reibnegger, Vizerektor für Studium und Lehre der Medizinischen Universität Graz.

Foto: Meduni Graz
2006 brachte ein Student, der trotz Bezahlung der Studiengebühren an der Medizin-Uni Graz keinen Platz erhalten hatte, mit Unterstützung der ÖH eine Klage ein. Er forderte die Rückerstattung des Verdienstentgangs wegen eines späteren Berufseinstiegs, sowie die Rückerstattung der Studiengebühr. Im Gespräch mit derStandard.at gibt Gilbert Reibnegger, Vizerektor für Studium und Lehre der Medizinischen Universität Graz nun bekannt, dass die Klage auch vom Obersten Gerichtshof abgewiesen wurde. Zudem erzählt er Katrin Burgstaller, wie man in Graz das Problem mit den Wartlisten gelöst hat. Und: Auf den Fall der Quoten-Regelung bereite man sich "sehr intensiv" vor.

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derStandard.at: Die Medizinuniversität Wien hat mit Wartelisten zu kämpfen, weshalb man die Zahl der AnfängerInnen einmalig reduzieren möchte. Das Wissenschaftsministerium hat diesen Lösungsvorschlag umgehend abgelehnt. An der Med-Uni Graz war jedoch die Limitierung der Studienplätze möglich. Wie kommt das?

Reibnegger: Bereits 2003 hatten wir in Graz ein veritables Stauproblem. Denn aufgrund unseres Prüfungssystems haben die Studierenden erfolgreicher studiert als in Wien und Innsbruck. Bei uns gibt es keine SIP (Anmerkung: Summative Integrative Prüfung) am Ende des ersten Studienabschnitts. Die Studierenden werden über kleinere Stoffgebiete geprüft.

2006 wurden wir auch von einem Studierenden wegen der Wartezeit geklagt. Kürzlich ist übrigens auch das Urteil des Obersten Gerichtshofs gekommen, die Klage gegen uns wurde abgewiesen.

Im Februar 2006 haben wir uns schließlich mit dem Ministerium auf eine Übergangsphase geeinigt, in der wir im vorigen Jahr statt der vereinbarten 360 nur 160 Studierende aufgenommen haben. Im nächsten Jahr werden wir wieder auf 360 kommen.

derStandard.at: Warum hat man da nicht auch gleich für Wien mitverhandelt?

Reibnegger: In Wien war das Stauproblem damals noch nicht so virulent.

derStandard.at: Glauben Sie, dass sich die Wiener mit ihrem Wunsch nach der einmaligen Limitierung der Studienplätze durchsetzen können, auch vor dem Hintergrund, dass das ja auch in Graz möglich war?

Reibnegger: Die Wiener gehen den einzig richtigen Weg. Eine kurzfristige Verringerung der Aufnahmezahlen ist tausendmal fairer. Die Leute können früh genug ein anderes Studium wählen. Das ist sinnvoller, als StudentInnen, die schon ein, zwei Jahre im System drinnen sind, später stehen zu lassen. Ich wünsche mir für die Wiener Kollegen und Studenten, dass das durchgesetzt werden kann.

derStandard.at: Kann die weitere Limitierung der Studienplätze zu einem Ärztemangel führen?

Reibnegger: In den 90er Jahren hatten wir ungefähr 250 AbsolventInnen pro Jahr. In dieser Zeit hieß es von der Ärztekammer, wir seien unverantwortlich und produzierten viel zu viele Mediziner. Seit Einführung der Studiengebühren ist die Zahl der Absolventen auf zirka 300 gestiegen. Diese Zahl wird auch in Zukunft erreicht werden, denn die Leute, die bei uns durch das Auswahlverfahren kommen, studieren extrem erfolgreich. Weshalb das plötzlich zu einem Ärztemangel führen soll, kann ich nicht nachvollziehen.

derStandard.at: Sind Sie ein Anhänger von Aufnahmeverfahren, oder soll jeder die Chance bekommen, mit dem Medizinstudium zu beginnen?

Reibnegger: Grundsätzlich wäre es absolut toll, einen freien Hochschulzugang zu haben. Wäre in den 70er-Jahren der Hochschulzugang nicht so frei geworden, hätte ich wahrscheinlich nicht studieren können. Eine medizinische Ausbildung kann aber nicht ohne Patienten funktionieren. Deshalb ist die Kapazität in unserem Fach notgedrungen immer beschränkt. Wenn Restriktionen auftreten, dann halte ich eine Zulassungsprüfung und einen beschränkten Zugang für die einzig faire Vorgangsweise. Sonst stehlen wir den jungen Leuten die Lebenszeit.

derStandard.at: Die Quotenregelung im Fach Medizin wird von der EU-Kommission scharf kritisiert. Was werden Sie tun, sollte diese Regelung endgültig fallen?

Reibnegger: Darauf, dass die Regelung fällt, bereiten wir uns gedanklich sehr intensiv vor. Ein Weg ist die stärkere Kooperation zwischen Universitäten und Schulen, indem die Schüler besser auf die Auswahlverfahren und Multiple Choice-Tests vorbereitet werden.

Derzeit analysieren wir die Matura- und Abiturzeugnisse der in- und ausländischen StudienwerberInnen. Bei einem Jahrgang haben wir gesehen, dass ungefähr 40 Prozent der österreichischen, jedoch nur vier Prozent der deutschen Bewerber einen Notenschnitt unter 1,8 haben. Bei uns bewerben sich vor allem deutsche StudentInnen, die schlechtere Abiturnoten haben. Einen Bonus für ein gutes Matura- bzw. Abiturzeugnis würde nach unseren Analysen mehr Österreicher als Deutsche bekommen.

Wenn das Quotensystem fällt und das Maturazeugnis miteinbezogen würde, müssten wir unseren SchülerInnen klar machen: Herrschaften, strengt euch an, damit ihr gute Noten bekommt. (Katrin Burgstaller/derStandard.at, 20. September 2007)