Was sich Politiker aller Kontinente plakativ auf die Fahnen heften, schrieb sich Christine Prantauer auf die Segel eines Schiffes, das hier die Mur schiffbar macht.

Foto: steirischer herbst
Graz - Rund 3000 Kilometer legt eine durchschnittliche Tomate zurück, um auf einer Fahrt mit dem Lkw aus der Türkei nach Österreich schließlich zum Paradeiser zu mutieren. Die Österreicherin Gabriele Sturm veranschaulicht diese für den Hausverstand in ihrer Notwendigkeit nicht nachvollziehbare Reise, die oft über eine Woche dauert, mit Satellitenbildern und hunderten gesammelten Tomaten-Schachteln.

Zwei Räume weiter lassen die Niederländerin Esther Polak und ihr Team die Wege von nigerianischer Milch - einerseits jene von einem Viehzüchterstamm, andererseits jene einer großen Molkerei - von einem Roboter mit Sand nachstreuen.

Die beiden Installationen sind zwei von zahlreichen internationalen Arbeiten, die ab Samstag in der Ausstellung Un/Fair Trade Aspekte von unfairem Tauschhandel im weitesten Sinn ins Zentrum rückt. Denn während der Begriff "Fair Trade" für westliche Firmen, die teilweise nur einen kleinen Teil ihrer Produktion mit der gerechten Etikette schmücken, und gleichsam für Konsumenten zunehmend hip wird, wachsen ungerechte Zustände am globalen Markt weiter, obwohl sich jede offizielle Politik Gerechtigkeit als anzustrebenden Wert auf die Fahnen heftet.

Un/Fair Trade wird auf zwei Ebenen gespielt: Einerseits in der kuratierten Schau in der Neuen Galerie, wo rund 80 Künstler und Künstlergruppen teils sehr dokumentarische, teils aber auch symbolische und atmosphärische Arbeiten zeigen, andererseits gibt es einen nicht kuratierten Teil im virtuellen Raum, auf den - fairerweise - jedermann über das Internet zugreifen kann, um selbst Kunstwerke bzw. Texte ins Netz zu stellen.

Versteckte Sklaven

In der Neuen Galerie führen zentrale Info-Räume korrespondierend mit den Farben des Kataloges mit Projektionen und Filmen (etwa Darwin's Nightmare von Hubert Sauper oder Megacities von Michael Glawogger) in die Teilbereiche des Themas "gerechter Tausch".

Dass schlecht bezahlte Arbeitskräfte mancherorts noch das geringere Übel ist, zeigen etwa die Bilder "moderner" Sklaverei, wie sie vor allem bei der Ausbeutung von Kindern auf allen Kontinenten betrieben wird. Die Fotografien Fernando Moleres' von schlecht ernährten Kindern, die, oft nicht älter als fünf, in dunklen Räumen Konserven reinigen oder sogar Waffen zusammenbauen, geben einen Blick in Abgründe frei, doch: "Diese Fotografien können nur die Oberfläche zeigen, das Schicksal, das sich darunter verbirgt, kann ungleich härter sein", weiß der Künstler.

Der aus Benin stammende diesjährige Arnold-Bode-Preisträger der documenta, Romuald Hazoumé, zeigt auf Panoramaaufnahmen eines Marktes für das ungeschulte Auge nicht erkennbare Verkäufe von Kindern. Daneben hängen seine aus Resten alter Telefone, Rechner oder Autos gebastelten Masken, mit denen Hazoumé Assoziationen an traditionelle afrikanische Kunst weckt. Auch der in Ghana geborene El Anatsui baut aus recycelten Flaschenverschlüssen Statements über den Einfluss westlicher Wirtschaft auf seine Kultur.

Jacqueline Hassinks Arab Domains, Fotos luxuriöser Büros und Esszimmer von Frauen aus arabischen Ländern, die es in der Pharmaindustrie, im Bankwesen oder im Handel zu Reichtum brachten, dokumentieren die andere Seite der Welt.

So auch Hassinks Videos der Car Girls , jener Fotomodelle, die auf Automessen als lebende Dekos auf und neben Kühlerhauben platziert werden. (Colette M. Schmidt / SPEZIAL / DER STANDARD, Printausgabe, 20.09.2007)