Ganz Österreich im Heukareck: Der Serverraum im geheimen Regierungsbunker, der vor 25 Jahren gebaut wurde, damit Österreich im Katastrophenfall noch existiert.

Foto: DER STANDARD/Möseneder
Das "Backup-System" soll bei Katastrophen die Verwaltung sicherstellen - bald kommen Daten aus ganz Europa dazu.

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Staatsgeheimnisse werden schnell verraten, wenn man in St. Johann im Pongau nach ihnen fragt. Selbst nette ältere Damen plaudern sie mitten auf dem Gehsteig bereitwillig aus. Wie man zum "geheimen" Regierungsbunker im Berg kommt, beispielsweise.

"Ja, da miassen's bei der Kreuzung rechts fahren, über d'Bruck'n drüber und dann dahinter glei links" klärt die freundliche Passantin bei der Bushaltestelle einen Tross auf, der sich etwas verfahren hat. Denn ausgeschildert ist der Zugang zum Stollensystem unter dem Heukareck nicht. Und Adresse fand sich auf der Einladung zur 25-Jahr-Feier des "Zentralen Ausweich-System des Bundes" (ZAS) offenbar aus Gründen der Staatssicherheit keine.

Was beim Bau der Bunkeranlage 1977, mitten im Kalten Krieg, vielleicht noch Sinn hatte. Gedacht ursprünglich als letzte Bastion im Kampf gegen die Truppen des Warschauer Paktes, mit bombensicheren Befehlsständen für das Bundesheer und Räumen für die Regierung. Was alles auch heute noch möglich ist. Seit 1982 hat der Bunker dank des ZAS ebenso wie das eher unscheinbare, langgestreckte zweistöckige Haus im "zivilen" Bereich vor der Anlage eine zusätzliche Bedeutung. In ihm lagern Backupdateien der Ministerien, stehen Server, die im Bedarfsfall Rechenzentren des Bundes ersetzen können und laufen Anwendungen wie das Rechtsinformationssystem (RIS).

"Nicht nur die Angst vor einem Krieg, sondern auch Großbrände in der Nationalbank und im Kaufhaus Gerngroß waren Auslöser für den Baubeschluss", weiß Christian Schlegl, seit Beginn Chef des ZAS. Dabei wurden lokale Rechenzentren beschädigt oder zerstört. Was im Fall von Steuerakten oder statistischen Daten verheerend wäre.

Mit gebrauchten Computern der Bundesbahnen, des Finanzministeriums und des damaligen "Statistischen Zentralamtes" wurde vor einem Vierteljahrhundert der Probebetrieb des katastrophensicheren Speicher- und Ausweichsystems begonnen. Zwei "mips", million instructions per second, konnten die Geräte damals ausführen, acht Megabyte Hauptspeicher standen zur Verfügung. "Derzeit sind es 1000 mips und 24 Gigabyte", rechnet Schlegl vor.

Monatliches Backup

Einmal pro Monat werden die relevanten Daten, die auf Magnetbändern mit enormer Speicherfähigkeit gesichert sind, von der Bundeshauptstadt in den Pongau gebracht, eskortiert von der Polizei. In dem 300 Meter im Berg versteckten Bunkersystem hat jedes Ministerium seine eigene Koje, wo im Notfall die Daten auch abgerufen werden könnten. Das muss kein Krieg oder Terroranschlag sein, auch lokale Katastrophen können ausreichen: Ein Erdbeben etwa, das Wien lahm legt, soll nicht zu einem Zusammenbruch der Verwaltung in ganz Österreich führen. Oder profaner: "Im Jahr 1985 hat ein Bagger beim Bau der U3 bei der Marxerbrücke ein Datenkabel des Bundesrechenzentrums herausgerissen. Nach einem halben Tag waren die Daten dank uns wieder verfügbar", erinnert sich der ZAS-Chef.

Die militärische Bewachung wird ab kommendem Jahr noch dringlicher. Schließlich wird das Backupsystem von "Schengen II" ab 2008 hier sein. Personendaten von 450 Millionen Menschen werden im Endeffekt dann hier lagern, die innerhalb weniger Minuten an den Außengrenzen der Schengenstaaten verfügbar sein müssen, sollte das Hauptsystem in Straßburg den Geist aufgeben. Diese Daten werden übrigens elektronisch aktuell gehalten. Damit kein EU-Beamter nach dem Weg fragen muss. (Michael Möseneder aus St. Johann/Pongau/ DER STANDARD, Printausgabe, 18.9.2007)