Die Kontrahenten und ihr Richter: EU-Wettbewerbshüterin Neelie Kroes (links), Microsoft-CEO Steve Ballmer (rechts) und Richter Bo Vesterdorf (Mitte), der nach dem Urteilsspruch in Pension geht.

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Wo fängt man an, eine Geschichte zu erzählen von einem Konzern, der auszog, um sich die noch junge digitale Welt Untertan zu machen? Bei der Vision von Microsoft -Gründer Bill Gates von einem Computer auf jedem Schreibtisch, selbstverständlich von Windows getrieben? Oder beim Internet Explorer, der gratis mit Windows mitgeliefert den Konkurrenten Net- scape über Nacht aus dem Markt drängte? Oder beim Windows Media Player, der als Bestandteil von Windows anderer Musiksoftware die Luft zum Atmen abschnitt?

In Vergessenheit geraten

Foul-Schreie von Konkurrenten und Prozesse haben den wahrscheinlich noch immer mächtigsten IT-Konzern der Welt die letzten Jahrzehnte begleitet. Fast schon wieder vergessen: Vor knapp acht Jahren, im November 1999, ordnete US-Richter Thomas Jackson die Zerteilung des Software-Riesen an: in ein Unternehmen für das Betriebssystem Windows, in ein anderes für Software. Dies sei der einzige Weg, einen Monopolmissbrauch zu verhindern.

Vergleich

Aber das dramatische Urteil überstand die Berufung nicht, Mitte 2004 endete der Prozess in einem für Microsoft glimpflichen Vergleich: dem Versprechen, dass andere Softwarehersteller Zugang zu den Programmschnittstellen von Windows erhalten sollten und sich Microsoft dabei beaufsichtigen lassen werde.

Echo

Das EU-Verfahren brachte ein inhaltliches Echo der US-Vorwürfe, nur ging es diesmal unter anderem um Musik und nicht um das Internet. Aber wenn heute, Montag, der Europäische Gerichtshof sein Urteil über die Rechtmäßigkeit der Strafen spricht, ist die IT-Geschichte längst weitergezogen. Windows ohne Media Player wurde zwar angeboten, ging aber am Markt unter, denn welcher PC-Käufer will schon auf einen kostenlosen Zusatz verzichten.

Konkurrenz erstarkt

Auf dem Musikmarkt etablierte sich Apple als uneingeschränkter Marktführer, trotz Windows Media Player und konkurrierender Microsoft-Software. Nicht nur auf Macs, sondern vor allem auf Windows-PCs etablierte sich Apples iTunes-Software, eine Art Trojaner für andere Apple Produkte - vom iPod und Apple TV bis zum iPhone. Aktive Konkurrenten

Gesprossen

Und auch wenn Microsoft sein Monopol bei Windows und vor allem im profitablen Office-Softwaremarkt erfolgreich verteidigen konnte, so ist ihm mit Google ein unerwarteter Rivale erwachsen. Denn Google wendet Microsofts Taktik gegen Microsoft selbst an: mit Gratisprodukten etablierte Player (wie seinerzeit Netscape) zu bedrängen.

Konkurrenz

Dank ständiger Internetverbindungen wird Online-Software wie Google Apps (ein Bündel aus Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Kalender, Mail) zur Gratiskonkurrenz für Microsoft Office. Obendrein verteilt Google auch Desktop-Software gratis - darunter StarOffice, das im wesentlichen dieselben Funktionen wie das hunderte Euro teure Microsoft Office hat.

Gegenspieler auf ganzer Linie

Auch in anderen Bereichen hat Microsoft veritable Gegenspieler: Zwar macht Microsoft mit Smartphones und Windows Mobile auf dem Handymarkt Fortschritte. Aber Nokia ist weiterhin der unangefochtene Platzhirsch, der über das Betriebssystem Symbian noch weitere Player wie Sony Ericsson oder Samsung (das auch Windows verwendet) von Microsoft fern hält. Starke Nischenprodukte wie der Blackberry oder jetzt Apples iPhone verhindern zusätzlich monopolistische Tendenzen.

Open Source

Und selbst im lange Zeit fast inexistenten Markt für Internet-Browser, in den 90er-Jahren Beweisstück Nummer eins für die Brutalität Microsofts, tut sich Unerwartetes. Nachdem Microsoft die Weiterentwicklung seines Explorers sträflich vernachlässigte, funktionierte der Markt: Mit dem Open-Source-Produkt Firefox gibt es inzwischen eine veritable Alternative, und vor Kurzem brachte Apple seinen Browser Safari in einer Windows-Version heraus. (Helmut Spudich, Der Standard/Printausgabe vom 17.9.2007)